Ein Appell der Professorinnen und Professoren der rechtswissenschaftlichen Fakultäten

nein zur durchsetzungDie Schweizist ein Rechtsstaat – Nein zur Durchsetzungsinitiative

Das Manifest ist bei amtierenden und emeritierten Professoren der Rechtswissenschaft seit Montag im Umlauf. Die Unterschriftensammlung läuft noch bis Freitag, schon jetzt hat aber bereits die überwiegende Mehrheit der angefragten Professoren unterschrieben. Den Aufruf lanciert haben die emeritierten Zürcher Staatsrechtler Andreas Auer und Tobias Jaag.

Das Manifest im Wortlaut:

Die Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)», über die wir am 28. Februar 2016 abstimmen werden, gefährdet die schweizerische Rechtsordnung mehrfach und in schwerwiegender Weise:

– Ziel der Durchsetzungsinitiative ist es, das richterliche Ermessen bei der Beurteilung der ausländerrechtlichen Konsequenzen von Straftaten vollständig auszuschalten. Die Gerichte sollen verpflichtet werden, ohne Rücksicht auf die betroffene Person, ihre persönlichen Verhältnisse und die Höhe der Strafe die Ausweisung von straffälligen Ausländerinnen und Ausländern zu verfügen. Den Richterinnen und Richtern wird dadurch verboten, ihrer ureigenen Pflicht zur Berücksichtigung der gesamten Umstände nachzukommen.

– Damit werden die von der Bundesverfassung gewährleisteten Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns aus den Angeln gehoben, insbesondere das Verhältnismässigkeitsprinzip, die Gewaltenteilung und die Geltung der Grundrechte in der gesamten Rechtsordnung. Die Initiative steht auch im Widerspruch zu völkerrechtlichen Verträgen, vor allem zur Europäischen Menschenrechtskonvention und zum Freizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union.

– Die Durchsetzungsinitiative verlangt nach ihrem klaren Wortlaut, auch in der Schweiz geborene und hier aufgewachsene Ausländerinnen und Ausländer, die keinen Kontakt zum Herkunftsland ihrer Eltern pflegen («Secondos»), mit den Kriminaltouristen in einen Topf zu werfen. Das betrifft eine bedeutende Gruppe junger Menschen, widerspricht dem Gleichheitsprinzip und ist unserer freiheitlichen Rechtsordnung unwürdig.

– Die Bundesverfassung wurde 1999 einer Totalrevision unterzogen, um wieder lesbar und für die Bürger und Bürgerinnen verständlich zu sein. Durch die von der Durchsetzungsinitiative vorgeschlagenen detaillierten Bestimmungen wird sie zu einem Ausschaffungshandbuch abgewertet.

– Die vom Parlament bereits verabschiedete Revision des Strafgesetzbuches zur Umsetzung der von Volk und Ständen im November 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative verschärft die ausländerrechtlichen Konsequenzen von Straftaten, erlaubt jedoch den Gerichten im Einzelfall, die Grundsätze unserer Verfassungsordnung zu beachten. Sie kann nach der Ablehnung der Durchsetzungsinitiative in Kraft treten.

– Die rechtsstaatliche Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit und muss verteidigt werden. Deshalb rufen die unterzeichnenden Professorinnen und Professoren an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Schweiz die Stimmberechtigten dazu auf, in der Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 die Durchsetzungsinitiative abzulehnen.»

 

Erstunterzeichner:

Andreas Auer (ZH), Paolo Bernasconi (TI), Martina Caroni (LU), Bernhard Ehrenzeller (SG), Alain Griffel (ZH), Tobias Jaag (ZH), Pascal Mahon (NE), Markus Müller (BE), Etienne Poltier (VD), Thierry Tanquerel (GE), Daniela Thurnherr (BS), Bernhard Waldmann (FR).

Mitunterzeichnende:

Peter Albrecht (BS), Cesla Amarelle (NE), Eva Maria Belser (FR), Samantha Besson (FR), MartinBeyeler (FR), Giovanni Biaggini (ZH), Roland Bieber (VD); Véronique Boillet(VD), Felix Bommer (LU), Stephan Breitenmoser (BS), Peter Breitschmid (ZH), Denise Brühl-Moser (BS), Andrea Büchler (ZH), Thomas Burri (SG), Nadja Capus (BS), Pio Caroni (BE), Ursula Cassani (GE), Elisabeth Chiariello (BE), Thomas Cottier (BE), Stéphanie Dagron (ZH), Valérie Défago Gaudin (NE), Oliver Diggelmann (ZH), Tanja Domej (ZH), Jacques Dubey (FR), Anne-Sylvie Dupont (NE), Patrizia Egli (SG), Andreas Eicker (LU), Astrid Epiney (FR), Wolfgang Ernst (ZH), Christoph Errass (SG), Roland Fankhauser (BS),Anne-Christine Favre (VD), Thomas Fleiner (FR), Alexandre Flückiger (GE), Peter Forstmoser (ZH), Thomas Gächter (ZH), Thomas Geiser (SG), Christoph Beat Graber (ZH), Barbara Graham-Siegenthaler (ZH), Seraina Grünewald (ZH), Christine Guy-Ecabert (NE), Felix Hafner (BS), Michael Hahn (BE), Walter Haller (ZH), Isabelle Häner (ZH), Peter Hänni (FR), Michel Heinzmann (FR), Maya Hertig Randall (GE), Peter Hettich (SG), Michel Hottelier (GE), Reinhold Hotz (SG), Claire Huguenin (ZH), Daniel Hürlimann (SG), Dominique Jakob (ZH), Yvan Jeanneret (GE), Daniel Jositsch (ZH), Alexandra Jungo (FR), Christine Kaddous (GE), Regula Kägi-Diener (SG), Walter Kälin (BE), Christine Kaufmann (ZH), Andreas Kellerhals (ZH), Regina Kiener (ZH), Heinrich Koller (BS), Georg Kreis (BS), André Kuhn (NE), Jörg Künzli (BE), Andreas Lienhard (BE), Ramon Mabillard (FR), August Mächler (ZH), Matthias Mahlmann (ZH), Francesco Maiani (VD), Giorgio Malinverni (GE), Alexander R. Markus (BE), Vincent Martenet (VD), Arnold Marti(ZH), Philippe Mastronardi (SG), René Matteotti (ZH), Nicolas Michel (GE), Daniel Möckli (ZH), Pierre Moor (VD), Christoph Müller (NE), Georg Müller (ZH), Jörg Paul Müller (BE), Markus Müller-Chen (SG), Erwin Murer (FR), Yves Noël (VD), Kurt Nuspliger (BE), Xavier Oberson(GE), Matthias Oesch (ZH), Marie-Laure Papaux van Delden (GE), Bertrand Perrin (FR), Henry Peter (GE), Thomas Pfisterer (SG), Tomas Poledna (ZH), Johannes Reich (ZH), René Rhinow (BS), Gabriela Riemer-Kafka (LU), Enrico Riva (BS), Robert Roth (GE), Alexander Ruch (ZH), Beat Rudin (BS), Bernhard Rütsche (LU), Marco Sassoli (GE), Urs Saxer (ZH), Markus Schefer (BS), Patricia M.Schiess Rütimann (ZH), Benjamin Schindler (SG), Jörg Schmid (LU), Clausdieter Schott (ZH), Markus Schott (ZH), Martin Schubarth (BS), Christian Schwarzenegger (ZH), Rainer J. Schweizer (SG), Marcel Senn (ZH), Rolf Sethe (ZH), Madeleine Simonek (ZH), Franziska Sprecher (BE), Andreas Stöckli (BS), Walter Stoffel (FR), Bernhard Sträuli (GE), Sarah Jane Summers (ZH), Marc Thommen (ZH), Christa Tobler (BS), Stefan Trechsel (ZH), Rita Trigo Trindade (GE), Pierre Tschannen (BE), Axel Tschentscher (BE), Peter Uebersax (BS), Felix Uhlmann (ZH), Klaus A. Vallender (SG), Hans Vest (BE), Beatrice Weber-Dürler (ZH), Rolf H.Weber (ZH), Pierre Widmer (VD), Isabelle Wildhaber (SG) Bénédict Winiger (GE), Christoph Winzeler (FR), Judith Wittenbach (BE), Roger Zäch (ZH), Ulrich Zimmerli (BE).

Insgesamt (mit Erstunterzeichnern) 153

(14.1.15 17:00)