Nein zum Zwang zu längeren Ladenöffnungszeiten

denisRedebeitrag des PdA-Nationalrats Denis de la Reussille an der Sitzung vom 2.März 2016.

Wir müssen uns heute über das Bundesgesetz zu den Ladenöffnungszeiten äussern. Das Ziel dieser Vorlage ist es, die Kantone zu zwingen, – denn genau darum geht es – längere Öffnungszeiten zu übernehmen. So will das neue  Gesetz die Öffnungszeiten am Abend und an den Samstagen liberalisieren. Die vorgeschlagenen Änderungen werden zum Nachteil der betroffenen ArbeiterInnen durchgeführt und dies obwohl ihre Arbeitsbedingungen bereits heute schon besonders prekär sind. Davon betroffen sind sehr oft Frauen mit Kindern, die dabei Pflichten als erziehungsberechtige Personen, sprich als Mütter ihrer Kinder, wahrnehmen müssen. Wie eine Studie des SECO aus dem Jahr 2005 beweist, haben sich die betroffenen ArbeiterInnen immer wieder gegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ausgesprochen, da sich dadurch ihre Arbeitsbedingungen zusätzlich massiv verschlechtern würden.

Mit Arbeitszeiten zwischen 6 und 20 Uhr während der Woche und von 6 bis 18 oder gar 19 Uhr an Samstagen, wie es die Vorlage vorsieht, werden die Arbeitszeiten der VerkäuferInnen noch unregelmässiger und fragmentierter, als sie bereits heute schon sind. Nun, Arbeitszeiten bis spät abends, die Zerstückelung der Arbeitszeit sowie die Arbeit auf Abruf sind bedeutende Stressfaktoren. Sie führen zu dem, was Burn-out genannt wird, und verunmöglichen immer mehr, Familien- und Berufsleben in Einklang zu bringen.

Falls die Ladenöffnungszeiten verlängert werden und somit auch die Arbeitszeiten, sind Massnahmen zum Schutz der Löhne notwendig – ohne solche wird es bei den ArbeiterInnen auf Ablehnung stossen. Schlimm ist auch die Tatsache, dass die VerkäuferInnen im Detailhandel keinen Gesamtarbeitsvertrag kennen. Und dies, weil sich die Arbeitgeberverbände der Branche immer weigerten, einen entsprechenden Vertrag auszuhandeln. Die Gesetzesvorlage gefährdet ernsthaft die wenigen gesetzlichen Regelungen zu den Arbeitsbedingungen. Und was die vertraglichen Regelungen zwischen Gewerkschaften und einzelne Grossverteilern betrifft (Anmerkung: Gemeint sind hier die Firmen-Gesamtarbeitsverträge wie etwa bei der Migros oder Coop), ist Folgendes festzuhalten: Auch diese Verträge sehen keine Massnahmen vor, um die Löhne vor längeren Arbeitszeiten zu schützen.

In diesem Kontext ist es für das Parlament nicht verantwortbar, ein Gesetzt zu unterstützen, dass zu weiteren Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen führt. Dies umso mehr, da sich einige ArbeitgeberInnen aus ihrer Verantwortung stehlen und sich zudem weigern, die Löhne zu schützen.

Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem so genannten Einkaufstourismus hängen nicht von den verschiedenen Ladenöffnungszeiten in den Kantonen ab. Das Sorgenbarometer der KonsumentInnen zeigt deutlich, dass die Öffnungszeiten ein unbedeutender Faktor sind, ganz im Gegensatz zu den steigenden Preisen. Auch führen längere Öffnungszeiten nicht zu höheren Umsätzen. Dies zeigen die Zahlen aus jenen Kantonen wie Aargau und Zürich, in denen die Öffnungszeiten praktisch komplett liberalisiert sind.

Das Argument, mit dem die BefürworterInnen die Gesetzesvorlage rechtfertigen, sprich den Kampf gegen den teuren Schweizer Franken, hält selbst bei einer oberflächlichen Prüfung nicht stand. Hinzu kommt, dass die Vorlage den Föderalismus völlig missachtet. Auch ist sie weit davon entfernt, eine Harmonisierung und eine Vereinfachung zu erreichen. Vielmehr wird die Situation komplexer und komplizierter werden: Für die Detailhandelsgeschäfte wird ein Bundesgesetz anzuwenden sein, während es für die Betriebe im Dienstleistungsbereich kantonale Regelungen sein werden. Somit sind massive Probleme bei der konkreten Umsetzung voraussehbar und zwar bei jenen Betrieben, die sowohl im Detailhandel als auch im Dienstleistungsbereich tätig sind. Probleme, die von entsprechenden komplexen juristischen Verfahren begleitet sein werden.

Die Gesetzesvorlage ist nicht ein Kompromiss zwischen den liberalen Kantonen und jenen, die sich für den Schutz ihrer EinwohnerInnen einsetzen. Das Ziel der Vorlage ist es, jenen Kantonen eine Liberalisierung aufzuzwingen, die diese abgelehnt haben. So haben sich in vielen Kantonen die BürgerInnen bei entsprechenden Abstimmungen deutlich gegen längere Ladenöffnungszeiten ausgesprochen. Im Kanton Luzern wurde zum Beispiel die Verlängerung um eine Stunde an Samstagen mit 54 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Wie kann man diesen klaren Volkswillen einfach missachten? Aus all diesen Gründen hat die Konferenz der kantonalen VorsteherInnen der Wirtschaftsdepartemente klar empfohlen, die Vorlage abzulehnen.

Die gleichen Lobbys, die heute eine so genannte Harmonisierung auf Bundesebene verlangen, haben in mehreren Kantonen – wie zum Beispiel in Basel und Genf – parlamentarische Vorstösse eingereicht, die während der Woche Öffnungszeiten bis nach 20.00 Uhr und an Samstagen bis nach 18.00 Uhr vorsehen. In den Kantonen Bern und Wallis sollen die Geschäfte auch am Sonntag offen sein.

Dies zeigt und beweist, wie wenig glaubwürdig ihr angeblicher Wille ist, mit der Vorlage eine gesamtschweizerische Harmonisierung zu erreichen. Die Untergrabung der kantonalen Kompetenzen hat einzig und alleine zum Ziel, allen eine komplette Liberalisierung der Öffnungszeiten aufzuzwingen. Die Arbeitszeiten verlängern, so wie es die Motion «Frankenstärke. Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten» von Lombardi und die entsprechende Gesetzesvorlage will, schädigt der Gesundheit sowie dem sozialen und familiären Leben der Betroffenen. Und dies ohne auch im Geringsten eine Steigerung des Umsatzes oder eine Zunahme der Arbeitsplätze zu garantieren. So ist es nicht erwiesen, dass längere Öffnungszeiten zu mehr Arbeitsplätzen führen. Und eine kürzlich veröffentlichte Studie der Credit Suisse zeigt, dass bei einer allgemeinen Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ausschliesslich die grossen Einkaufszentren davon profitieren. Gleichzeitig sind die Arbeitsplätze im Gastgewerbe und bei kleinen Familienunternehmen, wie etwa bei der Dorf- oder Quartierbäckerei, in grosser Gefahr. Falls das Parlament die Vorlage annimmt, wird dagegen das Referendum ergriffen werden. Und wir werden alles dafür tun, um diesen Kampf zu gewinnen.