Die PdAS und die Europäische Union

euDie Frage der EU wurde zu Beginn innerhalb der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) sehr kontrovers diskutiert. Aktuell ist die Frage des EU-Beitritts der Schweiz nicht auf der Tagesordnung und unsere Partei spricht sich klar gegen die EU aus. Ein Rückblick und die Gründe für das heutige Nein der PdAS. Der folgende Text ist der Redebeitrag von Gavriel Pinson, Präsident der PdAS, an der Vier-Parteien-Konferenz vom 12. und 13. März in Lüttich, an der die Kommunistische Partei Luxemburgs, die Partei der Arbeit Belgiens, die Neue Kommunistische Partei der ­Niederlande und die Deutsche  Kommunistische Partei teilnehmen. Wie schon 2015 in Groningen war auch dieses Jahr die PdAS als Beobachterin eingeladen. 


Im Dezember 1992 wurde das Schweizer Volk dazu aufgefordert, sich über die Eingliederung in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auszusprechen. Der EWR war ein Vorschlag aus dem Jahre 1989 von Jacques Delors, damals Präsident der europäischen Kommission, zuständig für die Länder der Europäische Freihandelsassoziation (EFTA), die nicht direkt EU-Mitglied werden wollten. Da es sich um ein internationales Abkommen handelte, war es dem obligatorischen Referendum verpflichtet. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat die Kampagne  gegen den Beitritt zum EWR geführt, dies auch durch die Bildung der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns). Seit Beginn der Kampagne hat die SVP/Auns den Beitritt der Schweiz zum EWR als ersten Schritt in Richtung EU-Beitritt bezeichnet, der «den Verlust unserer Unabhängigkeit und Neutralität zur Folge» habe. Erleichtert wurde diese Position und somit auch die Kampagne der SVP durch einen strategischen Fehler des Bundesrats: Die Regierung stellte kurz vor Beginn der Abstimmungskampagne eine Beitrittsanfrage an die EU.

Kontroverse führte zu Parteiaustritten
In jener Zeit, sprich Ende der 80er, zu Beginn der 90er Jahren, war unsere Partei über die Frage der EU sehr gespalten. An der nationalen Konferenz der PdAS 1989 in Bern war das Kräfteverhältnis praktisch 50 zu 50 Prozent. Eine kleine Mehrheit von 35 gegen 32 Stimmen lehnte den Antrag der Tessiner Sektion ab, der ein geschlossenes Ja zur europäischen Integration verlangte. Grund der knappen Ablehnung war, dass die Europäische Union als «eine technokratische Geschäftemacherei» bezeichnet wurde.
Doch nur wenige Monate später beschloss das Zentralkomitee (mit 63 Ja- zu 13 Neinstimmen und einer Enthaltung) ein «fortschrittliches Ja» zum Beitritt der Schweiz zum EWR. Manche GenossInnen machten darauf aufmerksam, dass das Nein aus den nationalistischen und antisozialen Kreisen stammte. Wegen dieser Polarisierung war unsere Partei während der Abstimmungskampagne relativ zurückhaltend. Verwirrt durch ihre eigenen Gegensätze teilte die Partei mit, dass «ein Ja zum EWR auch von Kräften gefordert wird, die nicht dieselben Ziele verfolgen wie unsere». Weiter hielt die PdAS fest: «Das Europa, das wir aufbauen wollen, ist nicht durch das Maastrichter Abkommen definiert: Auch nicht von den VerfechterInnen des Neoliberalismus, die von ihren Profitinteressen auf Kosten des Menschen und der Natur geleitet werden. Wir wollen ein fortschrittliches Ja für den Aufbau eines demokratischeren, gerechteren und solidarischen Europas.» Die internen Meinungsverschiedenheiten führten zu einigen Parteiaustritten, denn die Partei habe «aus Angst vor einer Kollision mit den faschistischen und/oder populistischen Rechtsextremen dem Europa des Grosskapitals zugestimmt».

Die SVP wird zur stärksten Partei
Der Beitritt zum EWR wurde mit 50,3 Prozent der Stimmen äusserst knapp abgelehnt. Diese Abstimmung schuf einen Graben zwischen der französischen Schweiz, die sich weitgehend für ein Ja ausgesprochen hatte, und der deutschsprachigen Schweiz. In diesem Teil der  Eidgenossenschaft hatten vor allem die kleinen, ländlichen Kantone sich stark gegen den Beitritt ausgesprochen. Die Ausnahmen waren die grossen Städte wie Zürich, Basel und Bern. Klar war,  dass das Nein zum EWR-Beitritt nicht ein linkes Nein «gegen ein Europa der Panzerschränke und der multinationalen Konzerne war», wie es die Zeitung « l‘Humanité» am Tag nach der Abstimmung bezeichnete.
Die einzigen grossen GewinnerInnen dieser Abstimmung waren die SVP und dessen ideologischen Führer Christoph Blocher. Auf diesem Sieg aufbauend, gelang es der SVP innert wenige Jahre durch antieuropäischen, rassistischen und nationalistischen Positionen, die stärkste Partei der Schweiz zu werden. Im Jahre 2001 hat das Stimmvolk die aus grünen und sozialdemokratischen Kreisen entstandene Initiative «Ja zu Europa» mit 77 Prozent der Stimmen massiv abgelehnt. Auch sprach sich kein Kanton für die Initiative aus. Seit diesem Tag wurde die Beitrittsfrage definitiv auf die lange Bank geschoben.
Auch wenn die Frage eines Beitritts der EU momentan nicht mehr aktuell ist, bleibt sie innerhalb unserer Partei offen. In manchen Sektionen gibt es noch GenossInnen, die einem Beitritt zustimmen würden. Das Hauptargument dieser Position ist, dass es für die Schweiz notwendig sei, am Ort vertreten zu sein, an dem die Entscheidungen getroffen werden. Die Schweiz müsse sonst die Entscheide der EU hinnehmen, ohne ihre Ansicht vertreten zu können. Eine Position, die jedoch klar in der Minderheit innerhalb der PdAS ist, die Mehrheit lehnt den Beitritt zur EU klar ab.

Die Gründe des Neins der PdAS
Hauptsächlich zwei Gründe haben diese Position gestärkt: Erstens hat der Bundesrat den so genannten bilateralen Weg eingeschlagen. Dies um die negativen Effekte vor allem für die Banken und der Exportindustrie des «Alleingangs» der Schweiz entgegenzuwirken. Dabei handelt es sich um Verhandlungen über einer ganze Reihe von Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Sie beinhalten unter anderem den freien Personenverkehr, den Güter- und Kapitalverkehr, das Schengen- und das Dublinabkommen, die landwirtschaftlichen Abkommen (insbesondere das Cassis-de-Dijon-Prinzip), die Abkommen für die Einführung einer europäischen Armee und Polizei, die Abkommen über die Forschung und des Bologna-Prozesses, die Verkehrsabkommen (die es für 40 Tonnen schwere LKWs ermöglichen, den Gotthard zu benutzen). Die rechten Parteien verheimlichen dabei nicht, dass der bilaterale Weg das beste Mittel für die Schweiz ist, um «s‘Foiferli und s‘Weggli» zu bekommen.
Von all diesen Abkommen ist jenes des freien Personenverkehrs immer wieder unter Beschuss. So geschehen auch mit der Initiative «Gegen die Masseneinwanderung» der SVP, die am 9. Februar, ein Tag der Schande für die Schweiz, deutlich angenommen wurde. Dieses Resultat hat die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU weiter angespannt.  Um gleichzeitig den bilateralen Weg zu erhalten und den Volksbeschluss umzusetzen, hat der Bundesrat die Einführung einer unilateralen Schutzklausel beschlossen mit dem Ziel, die «Migration zu bremsen».
Der zweite Grund, welcher für die PdAS gegen den Beitritt der Schweiz zur EU spricht, ist die Situation in der EU und somit die EU selber: Das politische, antimilitaristische Projekt des harmonischen Zusammenleben der Völker, das bei der Geburt der der EU zumindest diskutiert wurde, hat sich in Luft aufgelöst. Die Einmischung der EU in die Ukrainekrise ist der letzte Beweis dafür. Aber vor allem beweist die aktuelle Krise des Kapitalismus einmal mehr – als ob dies noch nötig wäre –  auf welcher Basis und für wen die EU wirklich erschaffen wurde.

Auf der Basis des Sozialismus
Der Kapitalismus als Zukunft für das Glück der Menschheit hat versagt. Dar Kapitalismus kann die fundamentalen Probleme und Widersprüche nicht lösen, ganz im Gegenteil: Er ist die Ursache dieser Probleme! In den Ländern der EU, wie auch in der Schweiz, sind es die VerfechterInnen des Kapitalismus,  die an der Macht sind. Die einzige wirkliche Opposition kommt aus den Reihen der kommunistischen Parteien, der radikalen Linken oder, seit kurzem, der sozialen Bewegungen, über dessen «Natur» wir uns Fragen stellen müssen, denn wären wir stärker oder weniger schwach gewesen, hätten wir als Linke diese soziale Bewegungen ins Leben rufen können. Die sozialdemokratischen, oder eher sozialliberalen Parteien, und die Grünen befürworten und verteidigen die aktuelle EU. Es wird auch immer schwieriger die Positionen der Europäischen Linkspartei (ELP) nachzuvollziehen, der wir auch angehöhren. Die ELP hat immer noch die Illusion, dass die EU von innen veränderbar wäre.
Für uns ist dieser «linke Europäismus» unverständlich. Ich will nicht soweit gehen und sagen, die EU soll zerstört werden, dieser Ausdruck wäre zu kriegerisch. Daher sage ich es so: Die EU muss in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden. Was wir wollen, ist ein reales Europa der Völker, das auf der Basis des Sozialismus aufgebaut wird.