Massenentlassungen bei der Post

Bis zu 100 Mitarbeitende im Bereich Administration von PostNetz sollen ihre Stelle verlieren. Offiziell begründet die Post dies unter anderem mit dem Rückgang der Brief- und Paketpost. Sie erzielt aber weiterhin hohe Gewinne – obwohl dies nicht zu ihrem Hauptauftrag gehört. Das Ziel neoliberaler Politik ist klar: Die Post soll komplett privatisiert werden.

Angeblich wegen des «finanziellen Drucks» will sich die Post neu ausrichten. Konkret bedeutet diese «Neuausrichtung» Folgendes: Bei der Betreiberin der Schweizer Postfilialen, PostNetz, soll im zentralen Bereich Administration bis zu 100 erfahrenen Mitarbeitenden gekündigt werden. Das ist über ein Viertel der heutigen Belegschaft von 380 Personen.

Möglichst sozialverträglich, wie nett
Die Ankündigung dieser erneuten Massenentlassungen erfolgte bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am 21. August. Das Betriebsergebnis der Post ging demnach um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück und liegt nun bei 118 Millionen Franken. Der Gewinn sank um 44 Prozent auf 74 Millionen Franken.
Die Post stehe aber nach wie vor auf «finanziell gesunden Beinen», liess sich Björn Walker, Finanzchef ad interim, in der Mitteilung zitieren. «Die strukturellen Herausforderungen im Kerngeschäft und damit verbundene Kosten werden im Ergebnis aber offensichtlich.» Die Hauptgründe für die Ergebnisse seien der anhaltende Rückgang der Briefmenge, der Zeitungen und des Schaltergeschäfts sowie steigende Kosten. Ziel sei es, weiterhin «eigenfinanziert und ohne Steuergelder» den Grundversorgungsauftrag leisten zu können, schrieb die Post in ihrer Medienmitteilung. Angesichts dessen bedürfe es einer Neuausrichtung des PostNetzes per 2026. Bei dieser Reorganisation seien maximal 100 Kündigungen und 20 Änderungskündigungen möglich. «Wir streben eine möglichst sozialverträgliche Umsetzung an», versprach das Unternehmen. Wie nett.

«Das ist skandalös»
Weil der Gewinn «nur» noch 74 Millionen Franken beträgt, kommt es zu einer Massenentlassung. Doch muss die Post, so wie ein Privatunternehmen, Gewinne erzielen, um zu überleben? Nein, denn: Die Schweizer Post ist ein öffentlich-rechtliches Unternehmen, Eigentümer ist der Bund. Der Auftrag der Post, wie im Postgesetz (PostG) festgeschrieben, besteht darin, eine flächendeckende, zuverlässige und bezahlbare Grundversorgung in der Post- und Paketzustellung sicherzustellen. Dazu gehören die Briefzustellung, Paket- und Logistikdienste sowie weitere Dienstleistungen im Postbereich, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden. Gewinne zu erzielen oder auszuschütten gehört nicht zum offiziellen Mandat der Post. Eine Selbstfinanzierung der Post mag zwar wünschenswert sein, jedoch steht die Erfüllung des öffentlichen Auftrags, wie im Postgesetz verankert, klar im Vordergrund. Ausschüttungen an Eigentümer, also an den Bund, sind demnach nicht vorgesehen, sondern allenfalls ein willkommener Nebeneffekt.
Höchst fragwürdig ist die Massenentlassung auch deswegen, weil der Staatsbetrieb in anderen Bereichen, besonders im Paket- und Logistikbereich, neue Mitarbeiter:innen sucht. Doch diese Stellen sollen nun vor allem extern besetzt werden. «Diese mangelhafte Personalpolitik ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten», schreibt die Gewerkschaft Syndicom in ihrer Stellungnahme. Adriano Troiano, Zentralsekretär der Gewerkschaft Syndicom, wird deutlich: «Die Post hat es einmal mehr verpasst, ihr bestehendes Personal fit zu machen für die Zukunft. Stattdessen ersetzt sie es lieber. Das ist skandalös und zeugt von fehlender Weitsicht sowie mangelhafter Personalentwicklung.» Ein happiger, aber berechtigter Vorwurf. Weiter unterstreicht Kollege Troiano, dass Syndicom die Praxis der Post «nicht zum ersten Mal» kritisiere. Er fordert, dass «die Post ihre soziale Verantwortung vollumfänglich wahrnimmt.»
Harsche Kritik kommt auch vom Dachverband der Arbeitnehmenden Travail.Suisse. Die Post lasse ihre Mitarbeiter:innen «im Stich», ist in der Medienmitteilung zu lesen. Und weiter: «Die Post scheint ihre eigenen Leute als ungeeignet zu betrachten.»

Gesamthaft fast 800 Kündigungen
Wer nun ein Dementi seitens der Post erwartet, irrt. Interimschef Alex Glanzmann hielt zwar vor den Medien fest, dass «seine Leute sehr kompetent» seien. Er sagte aber auch, man wolle für die neuen Stellen im Sinne der Kund:innen die Besten finden. Die vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter:innen könnten sich demnach ebenso darauf bewerben wie externe Fachpersonen. Wie nett, vor allem gegenüber langjährigen Mitarbeiter:innen.
Die Post verstehe den «modernen Service public» vor allem digital – etwa mit Angeboten wie dem digitalen Brief, hält die Gewerkschaft Syndicom fest. Doch statt langjährige Mitarbeitende ins digitale Zeitalter mitzunehmen, «werden sie lieber ausgewechselt». Dies sei «alles andere als zeitgemäss», so die Gewerkschaft. Und sie fügt hinzu: «Mindestens die Hälfte der 120 Stellen wären nicht betroffen, wenn die neuen Strukturen so gestaltet würden, dass das bestehende Personal mitwachsen kann.» In dieser Form reiht sich die aktuelle Umstrukturierung nahtlos ein in die lange Liste von Massenentlassungen und Abbaumassnahmen im Postkonzern: «Allein in diesem Jahr sind bei der Notime AG, der PostFinance AG und nun bei der Post CH Netz AG gesamthaft fast 800 Kündigungen vorgesehen.»

Gewinne privat, Verluste dem Staat
Die ausschliessliche marktwirtschaftliche Sichtweise der Post-Verantwortlichen ist selbstverständlich kein Zufall. Nur wer partout nicht begreifen will, begreift nicht, was das Ziel neoliberaler Politik ist: die komplette Privatisierung der Post. Ein Baustein dazu ist auch die parlamentarische Initiative «Klare Spielregeln für Bundesunternehmen im Wettbewerb mit Privaten». Eingereicht wurde sie vom Grünliberalen Jürg Grossen, einem Bürger nach schweizerischem Bilderbuch: Politiker, Nationalrat, Parteipräsident, Unternehmer, Arbeitgeber, Ausbildner, Sportler, Familienvater. «Ich stehe für eine moderne, liberale Gesellschaft und für eine offene und vernetzte Schweiz», ist auf seiner Webseite zu lesen. Was er darunter versteht, zeigt seine parlamentarische Initiative. Sie verlangt, die angeblichen «Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen einzudämmen». Staatsunternehmen wie die Post, Swisscom oder SBB seien «stark im freien Wettbewerb engagiert», ist im Vorstoss von Grossen zu lesen. Diese hätten «freie Hand» und aufgrund ihrer Stellung «zahlreiche Vorteile gegenüber den privaten Konkurrenten». Grossen verlangt somit unter dem Strich, dass der Zugang für Staatsbetriebe auf dem angeblich freien Markt eingeschränkt wird, damit Privatbetriebe bessere Chancen bekommen. Ein etwas widersprüchliches Verständnis eines freien Marktes – doch sei es drum.
Am 20.August teilte die zuständige Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK-N) nun mit, dass sie mit 17 gegen 7 Stimmen den vorliegenden Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Vorstosses von Jürg Grossen gutgeheissen hat. Den grössten Handlungsbedarf sieht die WAK-N bei der Post und teilt mit: «Deren Unternehmenszweck soll deutlich enger gefasst und das Quersubventionierungsverbot soll präzisiert werden.»
Konkret soll die Post nur noch unrentable Geschäfte übernehmen, wie etwa die Brief- und Paketzustellung. Mit den Worten der Gewerkschaft Syndicom auf den Punkt gebracht: «Die Post wird auf der Grundversorgung festgezurrt und wird einen langsamen Tod sterben. Dies macht deutlich, dass die Mehrheit der WAK-N nicht die Volksinteressen, sondern die Interessen privater Geschäftemacher vertritt. Frei nach dem Motto: Gewinne privat, Verluste dem Staat.»

Wann kommt es zum Streik?
In der Tat: Der Staatsbetrieb soll möglichst unrentabel werden. Dann kann behauptet werden: Seht her, liebe Leute, ein Staatsbetrieb kann niemals so effizient und erfolgreich betrieben werden wie ein Privatbetrieb. Also müssen wir ihn privatisieren, aber nur jene Bereiche, die auch rentabel sind – der Rest bleibt beim Staat. Wie Syndicom festhält: Gewinne privat, Verluste dem Staat. Die Folgen dieser neoliberalen Umgestaltung sind bestens bekannt: schlechtere, aber dafür teurere Dienstleistungen, Massenentlassungen und schlechtere Arbeitsbedingungen für die Arbeiter:innen bei den Privatunternehmen, die ehemalige Aufgaben der Post anbieten.
«Syndicom wird diesen Frontalangriff mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen», informiert die Gewerkschaft. Dazu gehört auch der Streik. Es ist an der Zeit, dieses Mittel zielgerichtet
einzusetzen.

Quelle: vorwärts