Resolution zur Beziehung Schweiz – EU

Nach der Beerdigung des Rahmenabkommens: Nein zu einer „institutionellen Lösung“ 

Für Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU, die auf der Zusammenarbeit zwischen Völkern und nicht auf dem liberalisierten Markt basieren.

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1. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union befinden sich in einer Sackgasse, seit der Bundesrat am 26. Mai 2021 der Europäischen Kommission seine Weigerung mitteilte, das Rahmenabkommen – mit vollem Namen «Abkommen zur Erleichterung der bilateralen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft in den Bereichen des Binnenmarkts, an denen die Schweiz teilnimmt», kurz InstA – zu unterzeichnen, und damit rund zehn Jahre dauernden Verhandlungen ein abruptes Ende setzte, ohne eine Alternative anzubieten. Der Bundesrat war der Ansicht, dass das Rahmenabkommen angesichts der Ergebnisse der von ihm durchgeführten Konsultationen und des kumulierten Widerstands der nationalistischen Rechten und der Gewerkschaften aus gegensätzlichen Gründen keine Chance hatte, in einer Volksabstimmung angenommen zu werden.

2. Die Europäische Kommission betrachtete diesen Verzicht als Casus Belli, ergriff Vergeltungsmassnahmen – auch in Bereichen, die das Rahmenabkommen nicht abdecken sollte – und kündigte klar an, dass sie die Erneuerung der auslaufenden bilateralen Abkommen nicht akzeptieren würde und dass es an der Schweiz sei, Alternativvorschläge zu unterbreiten. Nicht irgendwelche Vorschläge, sondern nur solche, die der EU gefallen. Die Kommission fordert eine «institutionelle Lösung», d.h. einen Rechtsrahmen für die «dynamische» (d.h. einseitige und quasi automatische) Übernahme des «gemeinschaftlichen Besitzstands» (d.h. des EU-Rechts) durch die Schweiz in den Bereichen, welche die Teile des gemeinsamen Marktes betreffen, an denen unser Land teilnimmt.

3. Aber als alternative Vorschläge scheint der Bundesrat nur Verzögerungstaktiken zu haben, um Zeit zu gewinnen, im Hinblick auf eine Strategie, von der man nicht sagen kann, was sie ist, so dass es mehr als zweifelhaft ist, ob er überhaupt eine hat. Die Europäische Kommission verfügt über eine sehr reale Macht, Schaden anzurichten, und ihre Vergeltungsmassnahmen haben bereits jetzt Auswirkungen auf die Forschung und auf Unternehmen, und zwar Auswirkungen, unter denen letztlich auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu leiden hätten. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind folgerichtig zu einem der bedeutendsten Themen in der öffentlichen Debatte geworden. Politische Parteien und verschiedene Organisationen und Bewegungen machen alle ihre Vorschläge. Das Thema ist natürlich spaltend und bringt gegensätzliche Lager zusammen: einen Europäismus[1], der seinen Kopf erhebt, eine nationalistische Rechte, die die Situation ausnutzt, ohne glaubwürdige Lösungen anzubieten, und Unternehmerkreise, die Lösungen durchsetzen wollen, die allein ihren Interessen entsprechen. Ein Grossteil dieser skizzierten Lösungen ist in Wirklichkeit Teil politischer Agenden, bei denen die ArbeiterInnenklasse nichts zu gewinnen hätte oder deren Umsetzung für sie sogar katastrophal wäre. Die PdAS muss ihre eigenen Vorschläge formulieren, um einen Ausweg aus der gegenwärtigen Sackgasse zu finden, der den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entspricht und in Richtung des sozialen Fortschritts geht.

Warum das Rahmenabkommen inakzeptabel war

4. Um es gleich vorweg zu sagen: Die Beerdigung des Rahmenabkommens ist eine gute Sache, die wir nur begrüssen können. Hätte sich der Bundesrat für die Unterzeichnung des Rahmenabkommens entschieden, hätten wir dazu aufgerufen, es bei der Abstimmung, die unweigerlich gefolgt wäre, abzulehnen.

5. Das Rahmenabkommen, so wie es konzipiert war, und welches auch immer die eventuellen «Klarstellungen» gewesen wären, welche die EU allenfalls vorgenommen hätte, war politisch inakzeptabel. Es war inakzeptabel, weil es die flankierenden Massnahmen in Frage stellte – ein direkter Angriff auf die ArbeiterInnen, eine drohende weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes, die allein im Interesse der Unternehmen und auf Kosten der ArbeiterInnen erfolgt wäre – und auch die staatlichen Subventionen, was die Tür zu weiteren katastrophalen Liberalisierungen, zu Angriffen auf öffentliche Dienstleistungen und zu zusätzlichen Privatisierungen öffnete.

6. Selbst wenn die EU in diesen Punkten Zugeständnisse gemacht hätte, wäre das Rahmenabkommen dennoch aufgrund seiner inneren Logik inakzeptabel gewesen: Schaffung eines Überbaus, dessen Ziel die einseitige Übernahme von EU-Recht durch die Schweiz ist, wobei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als letzte Instanz herangezogen wird, und Vergeltungsmassnahmen, falls die Schweiz sich weigert, dem nachzukommen. Ohne Souveränität ist keine Demokratie möglich. Der Rückgriff auf den EuGH, der keine unparteiische Instanz, sondern der Gerichtshof einer der beiden Vertragsparteien wäre, ist in jedem Fall inakzeptabel. Dies umso mehr, als es sich um eine echte neoliberale Brutstätte handelt, deren Rechtsprechung weitgehend darin besteht, soziale Errungenschaften als unvereinbar mit dem «freien und unverfälschten» Wettbewerb und somit für illegal zu erklären. Wenn nur die Wahl bleibt, entweder einseitig einen (zutiefst neoliberalen und arbeitgeberfreundlichen) «gemeinschaftlichen Besitzstand», der von einer nicht gewählten Technokratie ohne Volksmandat beschlossen wurde, übernehmen zu müssen oder aber Repressalien zu erleiden, weil man dies nicht tut, ist das keine Demokratie.

7. Aus den Gründen, aus denen wir gegen das Rahmenabkommen waren, lehnen wir auch jedes andere Projekt ab, das es wiederbeleben möchte, sei es unter dem gleichen oder einem anderen Namen. Wir lehnen die Idee einer «institutionellen Lösung», wie sie der EU vorschwebt, entschieden ab, also die einseitige und fast systematische Übernahme des «gemeinschaftlichen Besitzstandes» durch die Schweiz, um am gemeinsamen Markt teilzunehmen, auf dem «freier und unverfälschter Wettbewerb» herrschen soll.

Die Bilateralen, ihre Logik und die Gründe für deren Kritik durch die PdAS

8. Die meisten Organisationen, die sich gegen die Unterzeichnung des Rahmenabkommens ausgesprochen haben, befürworten nichtsdestotrotz den bilateralen Weg und, im Wesentlichen, die bestehenden bilateralen Abkommen. Selbst die SVP ist trotz ihres virulenten Euroskeptizismus und ihrer zweideutigen Rhetorik in dieser Frage nicht grundsätzlich gegen die bilateralen Abkommen (auch wenn sie behauptet, dass diese ohne grosse Probleme geopfert werden könnten). Die Opposition der SVP konzentriert sich in Wirklichkeit auf das einzige bilaterale Abkommen, für dessen periodische Verlängerung eine Volksabstimmung erforderlich ist und das aus diesem Grund die öffentliche Debatte monopolisiert: das Abkommen über die Personenfreizügigkeit. Die Opposition der SVP beruht hauptsächlich auf fremdenfeindlichen Argumenten und pseudosozialer Demagogie (die SVP gibt scheinheilig vor, die Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen die Konkurrenz von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern zu verteidigen, die «uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen» würden; ein demagogisches Argument, um einfach zu sagen, dass das grosse Problem der Schweiz darin besteht, dass es zu viele Ausländer gibt und dass es die universelle Lösung wäre, diese loszuwerden). Die SVP tritt zwar für den Vorrang inländischer ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer bei der Beschäftigungspolitik ein, drängt aber nicht übermässig darauf, das Abkommen über die Personenfreizügigkeit zu Fall zu bringen. Sie hat auch gegen die anderen bilateralen Abkommen nicht viel einzuwenden.

9. Die von unserer Partei formulierte Kritik geht tiefer. Wir lehnen nicht nur einen möglichen EU-Beitritt oder eine «institutionelle Lösung» (wie sie der EU vorschwebt) ab, sondern auch die bilateralen Abkommen, wie sie derzeit bestehen. Wir fordern ihre Neuverhandlung im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Unsere Position beruht auf einer kritischen Analyse des bilateralen Wegs.

10. Der «bilaterale Weg», der zwischen dem Bundesrat und der EU als Lösung zur Vermeidung des Alleingangs nach der Ablehnung des Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durch das Volk ausgehandelt wurde, ist ein Bündel bilateraler Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, die sich auf viele verschiedene Themen beziehen (es sind mehr als 120 Abkommen, die mehrere Zehntausende Seiten von grosser rechtlicher Komplexität umfassen). Beispiele solcher Themen sind: technische Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Forschung, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr, aber auch Standards für Statistiken, Satellitennavigation, Umwelt usw. Nicht alle diese Abkommen sind negativ, einige sind sogar unverzichtbar. Aber insgesamt gesehen ist die ihnen zugrunde liegende Logik die Umsetzung neoliberalen Gemeinschaftsrechts in Schweizer Recht, mit dem Ziel des Freihandels, der Liberalisierung, der Nivellierung nach unten, zur Freude der Grossunternehmen und auf Kosten der ArbeiterInnen, der öffentlichen Dienstleistungen, der sozialen und ökologischen Standards. Aus diesem Grund ist die PdAS gegen den bilateralen Weg, wie er derzeit praktiziert wird, und setzt sich für die Aushandlung andersartiger Abkommen ein, solcher im Interesse der ArbeiterInnenklasse auf der Grundlage einer Logik der Zusammenarbeit, nicht auf der Logik des freien und unverfälschten Wettbewerbs.

11. Unsere Opposition bezieht sich auch auf das Abkommen, das die öffentliche Debatte monopolisiert: das Abkommen über die Personenfreizügigkeit. Aber unsere Gründe sind nicht nur ohne Bezug zu denen der SVP, sondern stehen im Gegensatz zu ihnen. Denn trotz ihrer Demagogie ist die SVP in Wirklichkeit nicht grundsätzlich gegen Lohndumping – von dem einige Unternehmer, die Mitglieder dieser Partei sind, profitieren – und sie ist auf jeden Fall für den Abbau der flankierenden Massnahmen, für ein noch stärker liberalisiertes Arbeitsrecht. Der Ersatz der Freizügigkeit durch eine Rückkehr zum Kontingentssystem, verbunden mit einem liberalisierten Arbeitsrecht und dem Inländervorrang, wäre nämlich kein besserer Schutz für die Schweizer ArbeiterInnen und würde Lohndumping keineswegs verhindern. Im Gegensatz dazu ist unsere Opposition gegen das Abkommen über die Personenfreizügigkeit keineswegs fremdenfeindlich motiviert. Wir sind auch nicht gegen das Prinzip der Freizügigkeit an sich und sind der Meinung, dass diese nicht auf die EU beschränkt sein sollte. Das Problem mit diesem Abkommen ist in unseren Augen die damit verbundene Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Konkurrenzierung der ArbeiterInnen untereinander auf EU-Ebene und das damit einhergehende Lohndumping. Denn die «Freizügigkeit», wie sie von der EU konzipiert wurde, ist nichts anderes als die Möglichkeit, die «Reservearmee» von ArbeiterInnen zugunsten des Kapitals zu erweitern, indem sie es erleichtert, in ein anderes Land zu reisen und dort Arbeit zu suchen, aber gleichzeitig die migrantischen ArbeiterInnen in Bezug auf ihre Aufenthaltsgenehmigung in einer unsicheren Situation belässt. Die derzeitige Freizügigkeit ermöglicht es so den Unternehmen, die migrantischen ArbeiterInnen in zweifacher Hinsicht zu erpressen: Sie können ihnen nicht nur mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes drohen, sondern auch mit dem Verlust ihrer Aufenthaltsgenehmigung, falls sie in eine Situation geraten sollten, in der sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Die flankierenden Massnahmen sind zwar unentbehrlich, aber sie haben sich weithin als ungenügend erwiesen, um massiven und manchmal äusserst schwerwiegenden Missbrauch zu verhindern. Die begründete Unzufriedenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Landes mit diesen Massnahmen, die weder von den Gewerkschaften noch von der SP ernst genommen wird – weil sie in ihrem blinden Pro-Europäismus das Phänomen allzu lange kleingeredet haben – treibt diese allzu oft in die Arme der SVP. Wir sind der Meinung, dass Freizügigkeit nur gewährt werden kann, wenn sie mit ernsthaften Massnahmen zur Verhinderung von Lohndumping verbunden ist, wozu ein sehr viel weiter gehender Ausbau der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erforderlich ist, als er in den geltenden flankierenden Massnahmen enthalten ist. Der Mindestlohn ist ein erster Schritt in diese Richtung, die Verallgemeinerung von GAVs (die nicht inhaltslos sind, sondern wirklichen Schutz bieten) ein weiterer. Wir setzen uns für die Einführung eines echten Arbeitsgesetzes in der Schweiz ein, das sowohl der neoliberalen Logik und der Nivellierung nach unten der EU als auch dem minimalistischen und liberalen Arbeitsrecht in unserem Land entgegengesetzt wäre.

  • 12. Davon abgesehen ist es eine Tatsache, dass mit der Zunahme der Zahl der bilateralen Abkommen, der logischerweise daraus folgenden zunehmenden Komplexität des bilateralen Gebäudes, der hohen Zahl von Ausnahmen, die die Schweiz im Vergleich zum Gemeinschaftsrecht aushandeln konnte (insbesondere die flankierenden Massnahmen, die die Arbeitnehmer vor den schädlichen Auswirkungen der Freizügigkeit schützen sollen und die nach wie vor sehr unzureichend sind), und – man muss es auch erwähnen – den Unwägbarkeiten der Schweizer Demokratie, die wenig nach dem Geschmack von Eurokraten ist, die es gewohnt sind, ihre neoliberalen Ansichten autoritär durchzusetzen, ohne Rücksicht auf den Willen und die Bestrebungen der Völker, wurde der bilaterale Weg nach und nach immer weniger zufriedenstellend für die EU, die es nicht unterlassen hat, mit zunehmender Entschiedenheit zu fordern, dass die Schweiz, auch ohne Mitglied der EU zu sein, systematischer das Gemeinschaftsrecht übernimmt. Daher die Forderung der EU nach einer «institutionellen Lösung», trotz der Beerdigung des Rahmenabkommens. Aus diesem Grund hat der bilaterale Weg, wie wir ihn kennengelernt haben, auf Dauer keine Zukunft.

Die EU als ordoliberale Kriegsmaschine gegen die Völker

13. Unsere grundsätzliche Ablehnung der bilateralen Abkommen in ihrer jetzigen Form und einer «institutionellen Lösung», wie sie die Eurokraten verstehen, beruht auf unserer Analyse des Wesens der EU, die – im Gegensatz zu einer realitätsfernen europäistischen Mythologie, welche die EU als «Zivilisationsgemeinschaft» und als Faktor des Friedens darstellt, wenn nicht gar des sozialen Fortschritts – im Wesentlichen ein kontinentaler, grundlegend antidemokratischer und ordoliberaler technokratischer Überbau ist, der von den mit den grossen Monopolen verbundenen Lobbys kontrolliert wird und dessen Ziel es ist, den Völkern gegen ihren Willen – leichter als es in jedem einzelnen Mitgliedstaat für sich genommen möglich wäre – eine in den Verträgen verankerte neoliberale Politik aufzuzwingen: Freier und unverfälschter Wettbewerb, eine Nivellierung der sozialen Errungenschaften nach unten, die schrittweise Zerschlagung und Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen, die Unterwerfung aller und alles unter den Markt.

14. Eine solche Entwicklung wurde von den Klassikern des Marxismus vorausgesagt, lange bevor irgendein europäisches Konstrukt anders als eine rein theoretische Hypothese existierte.

15. Lenin schrieb 1915 klar und deutlich: «Vom Standpunkt der wirtschaftlichen Bedingungen des Imperialismus, d. h. des Kapitalexports und der Aufteilung der Welt durch die ‚fortgeschrittenen‘ und ‚zivilisierten‘ Kolonialmächte, sind die Vereinigten Staaten von Europa unter der Herrschaft des Kapitalismus entweder unmöglich oder reaktionär».

16. Jean Jaurès vertrat im Wesentlichen dieselbe Position (und seine selbsternannten Erben sind sich dessen meist nicht bewusst): «Solange das internationale Proletariat nicht ausreichend organisiert ist, um Europa in den Zustand der Einheit zu bringen, kann Europa nur durch eine Art monströsen Cäsarismus vereinigt werden, durch ein heiliges kapitalistisches Imperium, das sowohl den Nationalstolz als auch die proletarischen Forderungen zerschlagen würde».

17. Die Vorhersagen von Lenin und Jaurès haben sich in der EU, wie wir sie kennen, perfekt erfüllt. Zwar wurden andere Logiken vorgeschlagen, die vielleicht auch hätten Realität werden können, doch Tatsache ist, dass sie sich nicht durchgesetzt haben. Die Ideologie, auf deren Grundlage die EU seit ihren ersten Gründungsverträgen aufgebaut wurde, ist der Ordoliberalismus, die deutsche Variante des Liberalismus, deren charakteristische These lautet, dass ein freier Markt nicht der natürliche Zustand der Wirtschaft ist – die spontan zu Wettbewerbsverzerrungen und Monopolen neigt -, sondern von der öffentlichen Hand geschaffen und dann durch politische Massnahmen aufrechterhalten werden muss, selbst wenn dies gegen den Willen der Bevölkerung geschieht, da er sonst verkümmern würde. Daher das Syntagma «soziale Marktwirtschaft», das entgegen der landläufigen Meinung, nicht eine durch soziale Massnahmen korrigierte Marktwirtschaft, sondern eine gesellschaftlich konstruierte Marktwirtschaft bedeutet.

18. Die EU wurde also nach dieser Logik aufgebaut, ohne Beteiligung der Völker und wenn nötig gegen ihren Willen, als technokratischer und grundlegend antidemokratischer Überbau, in erster Linie als grosser Markt und subsidiär als politisches Konstrukt zur Durchsetzung neoliberaler Politik, indem politische Entscheidungen der demokratischen Debatte entzogen werden. Die EU soll die vier Grundfreiheiten (innerhalb ihrer Grenzen) garantieren: freier Waren-, Kapital-, Personen- und Dienstleistungsverkehr; dies mit dem Ziel, einen vollständig liberalisierten, homogenisierten Markt zu schaffen, vor dessen «Freiheit» soziale Rechte und öffentliche Dienstleistungen zurücktreten sollen. Die EU wird von Gremien geleitet, die aus nicht gewählten Technokraten bestehen, die keinerlei Rechenschaftspflicht unterliegen: die Europäische Kommission und der EuGH; und die Staats- und Regierungschefs, die sich im Europäischen Rat versammeln, wo sie sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Beschlüsse einigen. Die «demokratischen» Komponenten des Systems, wie das Europäische Parlament (das keine Gesetzesinitiative ergreifen kann und dem die Kommission nicht rechenschaftspflichtig ist) und ein Initiativrecht (ein einfaches Petitionsrecht ohne bindende Wirkung), dienen nur als demokratisches Schutzschild für ein Konstrukt, das es nicht ist. Als unabhängige Zentralbank, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegt, hat die EZB, indem sie den Mitgliedsländern der Eurozone die Kontrolle über ihre Währung entzogen hat, ihnen sowohl die Fähigkeit genommen, eine unabhängige Wirtschaftspolitik zu betreiben, als auch die Möglichkeit, sich den Entscheidungen der EU zu widersetzen. Und im Schatten dieser Instanzen sind es Zehntausende von Berufslobbyisten, die von den grossen Konzernen bezahlt werden, die im europäischen Viertel in Brüssel aktiv sind und einen privilegierten Zugang zum Europäischen Parlament und zur Kommission haben: Sie, diese Vertreter der Monopole, sind die wahren Herren der EU.

19. Diese gesamte Technokratie hat den Völkern der EU im Namen der Technik, der Verträge und dem Anschein nach abstrakter Regeln, die zudem in einer höchst unverständlichen Sprache formuliert sind, gegen ihren Willen ganz bestimmte politische Entscheidungen aufgezwungen: Haushaltssparsamkeit, Sozialabbau, allgemeiner Wettbewerb, Deregulierung, Öffnung für den Wettbewerb und Privatisierung der öffentlichen Dienste. Die Eurokraten behaupten mit der für sie typischen Arroganz, dass diese Leitlinien nicht diskutiert werden müssen, dass die EU-Regeln unantastbar sind und dass es «keine demokratische Wahlmöglichkeit gegen die europäischen Verträge gibt» (Jean-Claude Juncker, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission).

20. Seit den allerersten Anfängen des europäischen Aufbauwerks im Schatten des Marshall-Plans haben die damals prinzipienfesten und ideologisch gefestigten kommunistischen Parteien Westeuropas den Klassencharakter dieser Konstruktion, die reaktionär ist und ausschliesslich den grossen Monopolen dient, sehr genau analysiert, noch bevor ihr gesamtes schädliches Potenzial Realität werden konnte. Diese kommunistischen Parteien haben dieses reaktionäre Projekt dann zu Recht bekämpft. Auch der Euro wurde als Instrument im Dienste des Grosskapitals angeprangert, weil er jeder möglichen demokratischen Kontrolle entzogen und unvereinbar mit jeglicher progressiven Politik ist. Diese Position war völlig richtig und ist es heute umso mehr.

21. Lange Zeit wurde das schädliche Potenzial der EU nicht von allen verstanden, weil sie anfangs nur über wenige Hebel verfügte, um Druck auf die Mitgliedsstaaten auszuüben. Spätestens nach der Finanzkrise von 2008 kam die wahre Natur des europäischen Einigungswerks jedoch ans Licht – obwohl es auch vorher schon recht deutliche Anzeichen dafür gab, nämlich in der Art und Weise, wie der Vertrag von Lissabon von oben herab und unter Missachtung des Votums insbesondere des französischen, niederländischen und irischen Volkes durchgesetzt wurde. Die Banken, die durch ihre spekulativen Machenschaften für die Krise verantwortlich waren, wurden mit Milliarden von öffentlichen Geldern gerettet, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen hatte und ohne dass aus dem Debakel eine Lehre gezogen wurde. Demgegenüber wurden den Völkern, die ja keinerlei Verantwortung trugen, unglaubliche Sparmassnahmen zugemutet: Lohnkürzungen, Liberalisierung des Arbeitsrechts, Sozialabbau, massive Privatisierungen. Griechenland, Portugal und Irland wurden unter Vormundschaft gestellt und de facto von EU-Prokonsuln regiert – den berühmten Troikas (Vertreter der Europäischen Kommission, der EZB und des IWF) -, die sie auf skandalöse, fast mafiöse Art erpressten: Sie forderten von ihnen, dass sie alle ihnen auferlegten Massnahmen der Ausblutung mittrugen, andernfalls sie in den Bankrott getrieben würden; die «Hilfe» sollte nur dazu dienen, die bei den (zur Hauptsache) deutschen, französischen und britischen Banken bestehenden Schulden zurückzuzahlen. Die demokratisch gewählten Parlamente wurden zu einer Abnickkammer degradiert, die nichts mehr zu sagen hatte. Ganze Länder wurden gedemütigt, zu Kolonien degradiert, ihre Bevölkerung ins Elend gestürzt und an den Rand einer humanitären Notlage gebracht… Unnötig zu sagen, dass die Banker, die Oligarchie und die korrupten Politiker dieser Länder (wenn man sie verfolgen würde, hätte man zugeben müssen, dass es sehr oft deutsche Unternehmen waren, die sie korrumpiert hatten…) keinerlei Unannehmlichkeiten zu erleiden hatten, ganz im Gegenteil.

22. Das griechische Volk versuchte, sich dieser Tyrannei durch Streiks, Demonstrationen und die Wahl einer linken Regierung (mit der SYRIZA-Partei an der Spitze) zu widersetzen, die für ein Ende der Sparmassnahmen und die Aufhebung der Memoranden (von der Troika auferlegte Entmündigungspläne) geworben hatte. Die Eurokraten behandelten diese demokratische Entscheidung des griechischen Volkes mit regelrechtem Hass. Was soll das? Ein Volk, das es wagt, sich nicht zu unterwerfen und sich nicht ausnehmen zu lassen? Und sie taten alles, um den Widerstand auf brutalste und schändlichste Weise zu brechen. Entsprechende Entscheidungen wurden von der Eurogruppe getroffen, einer «Einheit», die rechtlich gesehen nicht einmal existiert (!). So viel zu den Eurokraten, die sich angeblich zwanghaft an Regeln halten… Die «unpolitische» EZB erwies sich als sehr politisch: eine grundlegend neoliberale Struktur, die sich dafür einsetzt, den Völkern Sparmassnahmen aufzuzwingen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. In die Enge getrieben, stimmte das griechische Parlament schliesslich einem dritten Memorandum zu – das einige Stunden vorher auf Englisch verschickt worden war und bei dem sich niemand die Mühe gemacht hatte, es ins Griechische zu übersetzen -, das die Eurokraten absichtlich schlechter machten als die vorherigen, um das griechische Volk dafür zu bestrafen, dass es versucht hatte, sich ihnen zu widersetzen. Natürlich trägt SYRIZA einen Teil der Verantwortung für diese Tragödie, da sie sich von Anfang an dafür entschieden hat, im Euro und in der EU zu bleiben und keine andere Form des Kampfes anzunehmen als Verhandlungen mit den Eurokraten unter Einhaltung der von diesen gesetzten Regeln (als ob es möglich wäre, mit diesen Leuten zu verhandeln).

23. In den Turbulenzen der Krise verabschiedete die EU den Euro-Plus-Pakt, der die Mitgliedstaaten de facto unter die Vormundschaft der Kommission stellte, die nun ein Mitspracherecht bei der Politik der Mitgliedstaaten hatte und ständig weitere neoliberale Reformen einfordern konnte. Im Juni 2010 erklärte der damalige Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, an der European University in Florenz: «Was derzeit geschieht, ist eine stille Revolution hin zu einer verstärkten Governance. Die Mitgliedstaaten haben akzeptiert – und ich hoffe, dass sie es so verstanden haben -, dass die EU-Institutionen nun über wichtige Vorrechte bei der Überwachung und strengen Kontrolle der öffentlichen Finanzen verfügen». Eine aufschlussreiche Anekdote: Einer der schärfsten Befürworter dieser «stillen Revolution» war Mario Draghi, der damals die italienische Zentralbank leitete. Zuvor war er jedoch leitender Angestellter bei Goldman Sachs gewesen, der Bank, die der rechtsgerichteten griechischen Regierung vor der Krise geholfen hatte, die Bilanzen des Landes zu frisieren, um die Lage des Landes besser darzustellen, als sie war, und die dann mit griechischen Schulden zu spekulieren begann. Mario Draghi wurde 2011 zum Präsidenten der EZB ernannt, eine Position, in der er dazu beitrug, Griechenland zu zerschlagen. Heute steht er an der Spitze der italienischen Regierung. Dass Parteien heute noch glauben können, dass es möglich ist, EU-freundlich und links zu sein, ist einfach nur trist!

24. Wir möchten uns jedoch nicht der nationalistischen Demagogie hingeben: Die EU ist kein Imperium über den Mitgliedstaaten, das ihnen allen gegen ihren Willen eine Politik aufzwingt. Die EU hat als solche nur wenige Zwangsmittel, und alle, die sie hat, hat sie, weil die Mitgliedstaaten sich dafür entschieden haben, sie ihr zu geben. Wenn sie neoliberal ist, dann deshalb, weil die nationalen Regierungen sich darauf geeinigt haben, ihr diese Richtung zu geben. Aber es ist nun einmal so, dass die Durchsetzung der neoliberalen Attacke über einen supranationalen Überbau, der jeglicher demokratischen Kontrolle entzogen ist, für die bürgerlichen Regierungen leichter war, als es in jedem einzelnen Staat gewesen wäre. Die EU ist aus Sicht der Bourgeoisie ein günstiges Terrain, um den Klassenkampf von oben zu führen, und damit vor allem auch ein Instrument für den sozialen und demokratischen Rückschritt. Darüber hinaus ist die EU auch ein Instrument für das Grosskapital der mächtigsten Länder – insbesondere Deutschlands -, um ihre Hegemonie gegenüber den schwächeren, wirtschaftlich weniger entwickelten Mitgliedstaaten durchzusetzen. Der Euro wurde eindeutig als verkappte D-Mark konzipiert, eine harte Währung, die auf die deutsche Exportindustrie zugeschnitten ist, aber für die süd- und osteuropäischen Länder ungeeignet ist und ihre Industrien zerstört. Der deutsche Handelsüberschuss beruht auf dem Handelsdefizit und der Zerstörung der Volkswirtschaften anderer EU-Mitgliedsstaaten. Die EU-Gremien gehorchen den Wünschen der deutschen Regierung und fördern das «deutsche Modell», das auf niedrigen bis sehr niedrigen Löhnen und Sozialabbau beruht. Im Schatten der Abstraktheit der Regeln wird der Aufbau der EU von reinen Machtverhältnissen bestimmt.

25. Es muss gleichzeitig eingeräumt werden, dass die EU nicht nur ein Instrument in den Händen der besitzenden Klassen gegen ihre Völker ist. Die offizielle Darstellung hat insofern einen wahren Kern, als die europäische Integration, das «politische Europa», für die Mitgliedsländer der EU real ist. Doch diese Dimension ist weit weniger fortschrittlich, als es die europäistische Mythologie wahrhaben will. Denn wenn die europäische Oligarchie ein vereintes Europa braucht, dann um im Wettbewerb mit rivalisierenden Bourgeoisien bestehen zu können: ein Imperium, das mit anderen Imperien konkurriert, das seine Handelsinteressen und seine Einflusszonen zu verteidigen hat – auf Kosten der Völker, die unter dem Joch der Imperien leiden, und zwar auf wirtschaftlicher, politischer und morgen vielleicht auch militärischer Ebene. Die EU strebt seit langem eine gemeinsame Politik auch auf militärischer Ebene an, eine «Verteidigungsgemeinschaft», d. h. eine gemeinsame Armee. Dieses Vorhaben wurde bisher nicht verwirklicht, und die EU ist aussenpolitisch weniger integriert als innenpolitisch. Auch ohne eine solche gemeinsame Armee hat die EU erheblich zur Destabilisierung der Ukraine beigetragen und betreibt derzeit eine gefährliche Strategie der Spannung mit der Russischen Föderation und der Volksrepublik China. Wenn die EU darüber hinaus über eine gemeinsame Armee verfügen würde, wäre sie eine zusätzliche Gefahr für den Weltfrieden. Darin liegt nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Konsequente AntiimperialistInnen müssen dieses imperiale Projekt bekämpfen und nicht mit schönen Worten über «europäische Werte» beschönigen.

26. Die Freizügigkeit und die «Werte» der EU enden an ihren Grenzen. Sie entwickelt sich zu einer belagerten Festung, nicht um sich vor irgendeinem Feind zu schützen, sondern vor den Flüchtlingen, die vor den von den imperialistischen Mächten angezettelten Kriegen, den wirtschaftlichen Verheerungen des globalisierten Kapitalismus und zunehmend auch vor den Schäden der globalen Klimaerwärmung fliehen, für die ihre Herkunftsländer am wenigsten verantwortlich sind. Die Grenzen der EU werden mit Mauern (ähnlich der, die Trump an der Südgrenze der USA fertigstellen wollte, nachdem Teile davon bereits unter dem Demokraten Bill Clinton gebaut worden waren) und skandalösen Internierungslagern umgeben, in denen Tausende von Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen eingesperrt sind, während das Mittelmeer zum grössten Friedhof der Welt geworden ist (und bald wird auch der Ärmelkanals bei diesem düsteren Rekord mithalten). Die Verkörperung des europäischen Konstrukts sind seine unmenschliche Fremdenpolizei Frontex und die schändlichen Abkommen mit dem Erdogan-Regime, den libyschen Kriegsherren und der marokkanischen Monarchie, die sie anstelle der EU die Drecksarbeit erledigen lassen. Die kriminelle Behandlung von Flüchtlingen, denen die Menschenwürde und die grundlegendsten Rechte verweigert werden, reicht aus, um den moralischen Bankrott der EU festzustellen und ihren Anspruch zu disqualifizieren, irgendwelche «zivilisatorischen Werte» zu verkörpern. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass die Eidgenossenschaft in dieser Hinsicht nicht besser abschneidet.

Die EU hat sich nicht verändert und wird sich wohl auch nicht verändern.

27. Einige «linke» EuropäistInnen sagen heute: «Ihr habt recht, die EU war einmal das von Euch angeprangerte neoliberale und antidemokratische Konstrukt, aber sie ist es nicht mehr. Sie hat begonnen, sich zu verändern – siehe die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie – und kann sich daher noch weiter verändern. Man sollte sich daher nicht aus Prinzip jeder Perspektive einer Annäherung an die EU verschliessen.» Diese Behauptungen sind jedoch falsch. Die EU hat sich nicht geändert, und es ist relativ unwahrscheinlich, dass sie sich jemals ändern könnte. Betrachten wir die Fakten.

28. Sicherlich ist es unbestreitbar, dass die EU im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie Entscheidungen getroffen hat, die noch vor kurzem undenkbar erschienen wären. Die Regeln zur haushaltspolitischen Orthodoxie wurden vorübergehend ausgesetzt. Die EZB erklärte sich bereit, ihre oberste Priorität, die Inflation zu bekämpfen, vorübergehend aufzugeben und ein Programm zum Aufkauf von Vermögenswerten zu starten, um die Wirtschaft vor dem Abrutschen in eine Rezession zu bewahren. Die EU einigte sich auf ein historisches Konjunkturprogramm – auch wenn die Beträge weniger spektakulär sind, als es den Anschein hat, und insgesamt weit hinter den offiziellen Zielen zurückbleiben -, für das sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte beschloss, in eigenem Namen Geld auf den Finanzmärkten zu beschaffen (Beginn einer Vergemeinschaftung der Schulden). Ein Programm, das auf Krediten, aber auch auf Zuschüssen basiert, die für bedürftige Mitgliedstaaten bestimmt sind (Beginn eines möglichen Bruchs mit der Nivellierung nach unten, einer Umverteilung). Das Projekt eines Green New Deal scheint ein Anfang für einen Bruch mit dem reinen Neoliberalismus, mit der Ausrichtung auf den Markt und den freien und unverfälschten Wettbewerb zu sein.

29. Eine aussergewöhnliche Situation erfordert aussergewöhnliche Massnahmen. Die EU ergriff mehr oder weniger die gleiche Art von Massnahmen wie alle kapitalistischen Länder, die nicht wollten, dass ihre Wirtschaft aufgrund der Pandemie in eine Depression abrutscht. Auch die Schweiz hat solche Massnahmen ergriffen. Hat sie sich deshalb verändert? Natürlich nicht. Daher ist es am wahrscheinlichsten, dass die «Wende» der EU nur vorübergehend ist, zumal die beschlossenen Massnahmen, die an «Strukturreformen» geknüpft werden sollten, unter Schmerzen und nach viel Widerstand und Obstruktion der sogenannten «sparsamen» Staaten beschlossen wurden.

30. Einige EurpäistInnen sagen, dass die EU derzeit ihren «hamiltonschen Moment» (benannt nach Alexander Hamilton, einem der Gründerväter der USA) erleben könnte, d. h. einen föderalen Sprung, der über die Vergemeinschaftung von Schulden führt. Dass es dem europäischen Grosskapital gelingen wird, eine weitere Zentralisierung auf EU-Ebene durchzusetzen, indem es die Covid-Krise ausnutzt, ist nicht unmöglich – obwohl die Spaltungen, die heute durch die EU heute gehen, Grund zu Zweifeln geben – und auch nicht die Tatsache, dass eine etwas weniger neoliberale Rhetorik als in der Vergangenheit verwendet wird, um diese Zentralisierung durchzusetzen. Sicher ist hingegen, dass diese Stärkung der europäischen Integration[2] nichts Fortschrittliches wäre und unweigerlich die Fortsetzung der «stillen Revolution» von José Manuel Barroso darstellen würde. Schliesslich haben sich weder die Gründungsverträge der EU noch die Strukturen, die Eurokraten oder die in ihrem Schatten herrschenden Lobbys geändert. Ursula von der Leyen, die derzeitige Präsidentin der Europäischen Kommission, ist immerhin die ehemalige Verteidigungsministerin von Angela Merkel. Dass die EU unter ihrer Führung eine progressive Wende vollziehen könnte, ist eine so unseriöse Annahme, dass es sich nicht lohnt, sie in Betracht zu ziehen.

Die EU: Ein von zentrifugalen Tendenzen unterminiertes Imperium.

31. Auf den ersten Blick mag das Kräfteverhältnis zwischen der Schweiz und der EU als überwältigend ungleich erscheinen, so dass es besser wäre, den Forderungen des uns umgebenden Kontinentalblocks nachzukommen. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, und die EU ist weder so monolithisch noch so solide noch so erfolgreich, wie Eurokraten und EuropäistInnen aller Couleur sie gerne darstellen würden. Der erste und wichtigste Riss im europäischen Aufbauwerk ist die Abspaltung eines Mitgliedsstaates, noch dazu eines wichtigen: des Vereinigten Königreichs.

32. Der Brexit hat gezeigt, dass es nicht nur möglich ist, die EU zu verlassen, sondern dass man dies auch tun kann, ohne übermässig schwerwiegende Folgen zu erleiden. Die von den EuropäistInnen prophezeite Katastrophe, welche die EU herbeiführen wollte, um die BritInnen dafür zu bestrafen, dass sie «falsch» abgestimmt hatten, ist nicht eingetreten. Der Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ist um 10% bis 15% zurückgegangen. Der bürokratische Aufwand für britische Unternehmen, mit der EU Handel zu treiben, ist grösser und die Kosten sind höher geworden, ohne dass diese Hürden unüberwindbar wären oder dass sie sogar nach und nach abgebaut wurden. Es wird erwartet, dass das BIP über mehrere Jahre hinweg um etwa 4 % schrumpfen wird. Von einem Zusammenbruch also weit entfernt. Die Ziele der konservativen Regierung von Boris Johnson waren alles andere als fortschrittlich, aber dennoch ist die Bilanz des Brexit für die ArbeiterInnenklasse eher positiv. Das Ende der Freizügigkeit bedeutete das Ende des organisierten Lohndumpings. Um ihre Arbeitskräfte zu halten und erfolgreich einzustellen, waren die Arbeitgeber gezwungen, die Löhne zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, auch wenn diese Fortschritte je nach Branche unterschiedlich ausfielen. Die Kommunistische Partei Großbritanniens (CPB) hatte mit dem Slogan «No to EU, Yes to Democracy!» für den Brexit geworben, trotz der sehr wenig fortschrittlichen Absichten der regierenden Konservativen Partei; während Labour zwar dagegen war, aber in Wirklichkeit in der Frage gespalten war.

33. Selbst nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs erscheint die EU heute als ein Block, der von zahlreichen Widersprüchen durchzogen ist und dessen Zusammenhalt sich als fragil erweisen könnte. Sie ist durch erhebliche Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den dominierenden Mächten Deutschland und Frankreich, den sogenannten «genügsamen» Ländern, den südeuropäischen Ländern und den «illiberalen Demokratien» der «Visegrad-Gruppe» gespalten. Die Europäische Kommission hat sich als unfähig erwiesen, Polen und Ungarn wegen Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu bestrafen, und beide Länder haben die diesbezüglichen Anordnungen bislang ignoriert. Die EU hat die Struktur eines Imperiums, aber nicht alle Zwangsbefugnisse, und sie hat auch dessen Schwächen: Sie ist eine bunte Mischung von Ländern, die weder die gleiche Wirtschaftsstruktur noch die gleiche politische Kultur und vor allem nicht die gleichen (manchmal sogar gegensätzlichen) Interessen haben. Sie ist daher zwangsläufig ein fragiles Gebilde, dessen Zukunft nicht gesichert ist. Ein Grund mehr, sich von den Eurokraten nicht beeindrucken zu lassen und vor allem nicht vor ihnen einzuknicken.

Die neoliberale Rechte, der Feind der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

34. Die linken EuropäistInnen in unserem Land haben zumindest in einem Punkt Recht: Die heutige Schweiz ist mindestens so neoliberal wie die EU (wenn auch nicht auf die gleiche Weise), wenn nicht sogar noch neoliberaler. Wir bestreiten diesen Punkt in keiner Weise. Wir behaupten keineswegs, dass die EU die Haupt- und alleinige Ursache für die Durchsetzung des Neoliberalismus auf unserem Kontinent ist und dass ein Bruch mit der EU eine hinreichende Bedingung für einen Bruch mit dieser Ausrichtung wäre (wenn auch eine notwendige Bedingung).

35. Die bilateralen Abkommen haben ihren (neoliberalen) Inhalt nicht nur, weil die EU sie als Bedingung für den Zugang zu ihrem Markt auferlegt hat, sondern auch, weil der Bund sie so gewollt hat, und sie hätten anders aussehen können, wenn die Schweizer Verhandlungsdelegationen andere Prioritäten gesetzt hätten. Tatsache ist, dass die Arbeitgeberverbände unseres Landes und die politischen Parteien, die ihre Interessen vertreten (wozu auch die SVP gehört), die neoliberale Ausrichtung der Eurokraten teilen: allgemeiner Wettbewerb, Sozialabbau, Angriffe auf die Löhne und Rechte der ArbeiterInnen, Liberalisierungen und Privatisierungen. Diese Parteien konnten im Übrigen völlig unabhängig für ähnliche Massnahmen stimmen, wie sie von den Eurokraten auferlegt wurden – und tun dies auch heute noch. Wenn das Rahmenabkommen die flankierenden Massnahmen geopfert hätte, dann deshalb, weil die Schweizer Rechte sie nie wirklich wollte und sie nur als Zugeständnis akzeptierte, um die Unterstützung der Gewerkschaften für den bilateralen Weg zu gewinnen. Lohndumping ist nun mal das Geschäft der Arbeitgeber. Daher kann man davon ausgehen, dass die Verhandlungsdelegationen sich nicht allzu sehr darum bemühten, die flankierenden Massnahmen zu verteidigen.

36. Der verhaltene Europäismus der Schweizer Arbeitgeber, der FDP und der Mitte – die Grünliberalen sind uneingeschränkt europäistisch – ist darauf zurückzuführen, dass die Bourgeoisie in unserem Land eine gewisse nationale Souveränität bewahren möchte, die ihrem Interesse dient, besondere Vorteile auf dem europäischen und globalen Markt zu bewahren. Diese Kreise befürworten jedoch eine «institutionelle Lösung» mit der EU, die einer weiteren Marktöffnung im Interesse der Exportindustrie und des Finanzwesens zum Nachteil der ArbeiterInnen sowie der öffentlichen Dienstleistungen Vorrang einräumt.

37. Aus der Tatsache, dass die regierende Rechte in der Schweiz genauso neoliberal ist wie die Eurokraten, darf man jedoch nicht den Schluss ziehen, dass beide gleich sind und man deshalb gerade so gut der EU beitreten könne. Dies ist ein eklatanter Trugschluss, der von einigen «linken» EuropäistInnen verwendet wird. Das Argument ist jedoch völlig irreführend und dumm. Aufgrund der vorteilhaften Situation, die die Schweizer Bourgeoisie genossen hat und immer noch geniesst, und aufgrund der besonderen Machtverhältnisse in unserem Land hätte die ArbeiterInnenklasse bei einer weiteren Annäherung an die EU viel zu verlieren, von einem Beitritt ganz zu schweigen: Abrupte Erhöhung der Mehrwertsteuer, Deregulierung der Ladenöffnungszeiten, Liberalisierung und Privatisierung bestimmter öffentlicher Dienstleistungen und einiger unverzichtbarer Staatsmonopole, die aus Sicht der EU-Verträge allesamt «Wettbewerbshindernisse» darstellen, ganz zu schweigen von der halbdirekten Demokratie, die unter dem Joch der Kommission nur noch eine leere Worthülse wäre.

Der «linke» Europäismus und seine Sackgassen

38. Die Sackgasse, die durch die Beerdigung des Rahmenabkommens entstanden ist, schuf eine günstige Gelegenheit für den Europäismus, um seine Stimme zu erheben und sich als glaubwürdige, wenn auch minoritäre Option in die öffentliche Debatte einzubringen. Dabei konnte er von der offensichtlichen Perspektivlosigkeit des Rechtsnationalismus profitieren. Unter den politischen Parteien vertreten die Grünliberalen und ein Teil der Mitte offen eine solche europafreundliche Perspektive. Auf der linken Seite ist diese Position seit Jahren die offizielle Position der SP und der Grünen, die einen Beitritt der Schweiz zur EU, wenn auch mit einigen Vorbehalten, befürworten und diese Ausrichtung mit mehr oder weniger Enthusiasmus öffentlich vertreten. Die europäistische Ideologie, die Illusion eines vereinten Europas, die früher äusserst verbreitet war und heute kaum noch sichtbar ist, hat sich auf der Linken deutlich besser gehalten als auf der Rechten. Tatsächlich ist unsere Partei die einzige bedeutende linke politische Partei in der Schweiz, die eine eindeutig kritische Haltung zur EU eingenommen hat. Das Fortbestehen von Illusionen über die EU auf der Linken ist auch in vielen EU-Mitgliedsländern zu beobachten.

39. Die Lösung der SP, um aus dieser Sackgasse herauszukommen, besteht darin, das untergegangene Rahmenabkommen durch ein «Stabilisierungsabkommen» zu ersetzen (es ist schwierig, einen noch technokratischeren Ausdruck zu finden). Es ist eine institutionelle Lösung, die die Übernahme von EU-Recht durch die Schweiz erleichtern soll. Als nächste Etappen sollen der Abschluss von sektoriellen Marktzugangsabkommen folgen; sodann die Verabschiedung eines «Europagesetzes» mit dem Ziel, die weitere Anwendung des Stabilisierungsabkommens in der Schweiz zu erleichtern. Auch ein grösserer finanzieller Beitrag zum Zusammenhalt der EU ist vorgesehen, von dem die SP glaubt, dass er den Abbau von Ungleichheiten sowie den sozialen und ökologischen Fortschritt fördert. Alle diese Schritte sollen dann ihren wünschenswerten Abschluss in einem Beitritt der Schweiz zur EU finden. Was die Grünen betrifft, so heisst es auf ihrer Website: «Wir GRÜNE setzen uns für ein enges Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ein. Für uns ist klar: Ein Rahmenabkommen mit der EU ist Voraussetzung für die Weiterentwicklung des bilateralen Weges. Denn eine gute Nachbarschaft braucht verlässliche Spielregeln. Die Öffnung gegenüber Europa ist aber nur mehrheitsfähig, wenn sie von funktionierenden flankierenden Massnahmen (FlaM) zur Personenfreizügigkeit begleitet ist. Diese müssen den Lohndruck abfedern und die Löhne in der Schweiz schützen. Wir GRÜNE setzen uns für konstruktive Ansätze in diese Richtung ein.» Langfristig befürworten die Grünen einen Beitritt der Schweiz zur EU. Die Position von solidaritéS in dieser Frage ist unklar.

40. Wir sind jedoch der Ansicht, dass es nicht möglich ist, gleichzeitig europäistisch und links zu sein (wenn mit «links» eine Parteinahme für die ArbeiterInnenklasse und die Forderung nach einem Bruch mit dem bestehenden System gemeint ist), wenn man konsequent sein will. Seit 2008 hat die PdAS eine klare Position eingenommen: für ein Europa der Völker, aber gegen die EU. Diese Position sollte eigentlich unbestritten sein und sollte es nach der Finanzkrise von 2008 und der Art und Weise, wie die EU bei dieser Gelegenheit ihr wahres Gesicht gezeigt hat, erst recht sein. Dennoch ist sie es nicht. Was sind die Gründe dafür?

41. Es gibt zwar keine wirklichen Begründungen für diese Position – sie hat mehr mit Glauben als mit Rationalität zu tun –, aber der linke Europäismus hat tiefe Wurzeln, die seine Resistenz gegenüber den Fakten erklären. Natürlich gibt es zuerst einmal die europäistische Ideologie, die eine Zeit lang sehr einflussreich war. Aber eine kritische Haltung gegenüber der herrschenden Ideologie ist das Mindeste, was man von der Linken erwarten dürfte. Es gibt hier, etwas genauer, die Meinung, dass das Eintreten für «Europa» eine Form des Internationalismus sei und dass umgekehrt das Eintreten für nationale Souveränität eine nationalistische und damit rechte Position sei. Dieser Ansatz ist jedoch in höchstem Masse idealistisch. Er jongliert mit abstrakten Konzepten und schwebt im Himmel der Ideen, zu weit oben, um die konkrete soziale Realität zu sehen. Es ist ein antimarxistischer Ansatz, um es vorsichtig auszudrücken. Es gibt auch die Angst, eine Position zu vertreten, die mit einer Position der extremen Rechten übereinstimmt: Die extreme Rechte ist euroskeptisch; also ist der Euroskeptizismus rechtsextrem, und daher ist der Europäismus links. Man braucht dieses Argument nur auszusprechen, um zu sehen, wie sophistisch und dumm es ist. Und man muss schon einen einzigartigen Mangel an intellektueller Unabhängigkeit haben, um sich so ängstlich in Relation zu den GegnerInnen zu positionieren, ohne es zu wagen, selbstständig zu denken. Es ist nicht überraschend, dass es unter solchen Voraussetzungen der SVP gelingt, die öffentliche Debatte zu dominieren. Die Angst ist übrigens auch insofern unbegründet, als die kommunistischen Parteien lange Zeit gegen die Gründung der EU waren, dass die Sozialdemokratie und die nicht-kommunistischen Gewerkschaften sie anfangs skeptisch beurteilten, während nur die Christdemokratie von Anfang an dafür war und dass sogar die extreme Rechte die EU befürworten konnte. Und schliesslich ist da auch noch die Tatsache, dass sich eine gewisse Linke nur für die Ansichten der Mittelschicht, der freien Berufe und der Forschung interessiert – die mehrheitlich pro-europäisch sind –, aber der ArbeiterInnenklasse und dem, was sie denkt, mit einem tiefen Desinteresse begegnet…

42. Der «linke» Europäismus ist die moderne Form des Reformismus, der die traditionellen Illusionen der ReformistInnen über die Möglichkeit, die bürgerliche Gesellschaft von innen heraus zu reformieren, auf die Ebene des europäischen Aufbaus und seiner Strukturen überträgt – ohne Bruch und ohne wirkliche Konfrontation mit den KlassengegnerInnen. Man lässt den bürgerlichen Staatsapparat intakt, man vergisst dessen Klassencharakter und behauptet, er sei ein neutraler Schiedsrichter über den Klassen und über ihre Konfrontation, ein einfaches Werkzeug, dessen Gebrauch man ohne Probleme ändern könne. Dieser Reformismus hat die gleichen objektiven Ursachen wie der Reformismus und Opportunismus der Zweiten Internationale: theoretische Unklarheit und Inkonsistenz; Verzicht auf den radikalen Klassenkampf zugunsten einer Integration in die bürgerlich-demokratischen Strukturen; Öffnung gegenüber einem rechten Flügel, der objektiv opportunistisch auf der Seite der Bourgeoisie steht und der gesamten Partei seine Ansichten aufzwingt; Parteinahme für das Kleinbürgertum und die Mittelschichten auf Kosten der ArbeiterInnen. Diese besondere Variante des Reformismus, der Europäismus, predigt einen idealistischen Ansatz, der theoretisch und sogar logisch inkonsistent ist, der nur illusorische Ziele anbietet und die Kämpfe in Sackgassen führt, und der sich in Idealismus, wenn nicht sogar in Wunschdenken flüchtet, um nicht zu sehen, wie sehr die Fakten ihm hartnäckig jeden Tag widersprechen: so das übliche Gerede von einem «sozialen Europa», einem «Euro im Dienste der Völker», einer «Neuausrichtung der Rolle der EZB»…, was ungefähr so glaubwürdig ist wie ein «sozialer Kapitalismus» oder eine «NATO im Dienste des Friedens».

43. Während die heutige Schweiz genauso neoliberal ist wie die EU (wenn auch auf eine andere Weise), ist es nicht weniger klar, dass die bilateralen Verträge in ihrer derzeitigen Form – ebenso wie die europäischen Verträge für die EU-Mitgliedsländer – jede linke Politik verhindern, die über den gemässigten Sozialliberalismus hinausgeht. Um mit dem Liberalismus zu brechen – ganz zu schweigen von einem Bruch mit dem Kapitalismus – muss man mit den Verträgen bzw. den bilateralen Abkommen brechen. Unnötig zu sagen, dass ein Beitritt der Schweiz zur EU einen solchen Bruch noch schwieriger machen würde. Ausserdem würde ein europäistischer Kurs bedeuten, dass man sich dauerhaft von der ArbeiterInnenklasse entfremdet, die dies auf keinen Fall will, und sie in die Arme der rechtsextremen DemagogInnen treibt. Gesellschaftlicher Wandel oder EU – man muss sich für eine Seite entscheiden.

Die nationalistische Rechte, eine Nicht-Lösung

44. Die realen Verwüstungen, die der Aufbau der ordoliberalen Europäischen Union angerichtet hat, konnten nicht anders, als eine verdiente Abneigung gegenüber der EU und eine grundlegende Ablehnung des europäistischen Diskurses seitens der Bevölkerungsschichten zu schüren, die seine ersten Opfer waren. Die linken Kräfte – einschliesslich der radikalen Linken – konnten dieser Unzufriedenheit der Bevölkerung kaum ein glaubwürdiges politisches Ventil bieten, da die Zeiten für die fortschrittlichen Kräfte nach der Konterrevolution der 80er und 90er Jahre sehr ungünstig waren. Auch herrschte eine ideologische Verwirrung in der EU-Frage, die allzu viele dieser nicht nur reformistischen, sondern manchmal auch kommunistischen Parteien (die leider oft von der einen oder anderen Form des linken Europäismus infiziert waren) kennzeichnete und immer noch kennzeichnet. Für die PdAS war dies lange Zeit eine komplizierte und strittige Frage, und es hat Jahre gedauert, bis unsere Partei zu der klaren Position gelangt ist, die wir heute in dieser Frage vertreten.

45. Die Gelegenheit war zu ideal für die extreme Rechte, um sie nicht zu ergreifen und die Kritik an der EU zu ihrer Geschäftsbasis zu machen (obwohl sie nicht immer euroskeptisch war, konnte der Front National zu einer Zeit, die heute vergessen ist, durchaus EU-freundlich sein). Die Rechtsextremen zögern nicht, wie in früheren Zeiten einige Elemente linker Analysen (Kritik am Liberalismus und Lohndumping) zu übernehmen, um sich an die ArbeiterInnenklasse zu richten, tun dies aber auf demagogische, widersprüchliche und oberflächliche Weise, indem sie diese Elemente in einen nationalistischen, fremdenfeindlichen und bewusst rassistischen Diskurs integrieren. Dadurch haben sie die Denunziation der EU zu ihrem Markenzeichen gemacht. Die Folge davon ist, dass die EuropäistInnen diesen Diskurs ihrerseits demagogisch umgedreht haben, indem sie den Euroskeptizismus als rechtsextreme Position darstellen (was nicht stimmt). In der Schweiz hat sich die SVP seit den 1990er Jahren unter der Führung von Christoph Blocher durch die Kritik an der EU und an der Politik des Bundesrats und der Mehrheit der Parteien, die anfangs eine Annäherung bis hin zur Mitgliedschaft an die EU befürwortete, zur dominierenden Partei aufgebaut, deren Analyse heute hegemonial ist. Dieses Vorgehen ist unbestreitbar ein grosser Erfolg der SVP; ein Erfolg, der zu einer massiven Rechtsentwicklung geführt hat, die das politische Leben in der Schweiz vergiftet.

46. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass das Vorgehen der SVP rein demagogisch ist und dass diese Partei keine glaubwürdigen Lösungen anzubieten hat. Die Behauptung dieser Partei, die ArbeiterInnen in der Schweiz insbesondere gegen Lohndumping zu verteidigen, ist völlig scheinheilig. Jedes Mittel ist ihr recht, und sie zögert auch nicht, ihrer fremdenfeindlichen Grundhaltung einen leichten sozialen Anstrich zu geben, um die Herzen der einfachen Leute zu erreichen, die sich berechtigte Sorgen um ihre Zukunft machen. Die Bekämpfung des Lohndumpings gehört jedoch in keiner Weise zu den wirklichen Zielen der SVP. Da die SVP eine Fraktion der Bourgeoisie vertritt, die weniger von den Beziehungen zur EU abhängig ist und für die ein Wegfall der bilateralen Verträge nicht gravierend wäre, kann sie die euroskeptische Karte vorbehaltslos ausspielen. Dies ist ein objektiver Widerspruch, der innerhalb der Schweizer Bourgeoisie besteht. Aber ansonsten stimmt die SVP mit der FDP und den Eurokraten in so gut wie allem überein. Sie ist genauso neoliberal und befördert genauso den Sozialabbau, setzt sich für eine völlig liberalisierte Wirtschaft ein, für den unbegrenzten Markt und den Freihandel. Die SVP würde eine Entfernung von der EU dazu nutzen, die flankierenden Massnahmen abzuschaffen und den Arbeitsmarkt noch weiter zu liberalisieren.47. Ansonsten verbirgt sich hinter der plakativen Demagogie der SVP das Fehlen jedes ernsthaften Vorschlags für die Zukunft der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Die SVP schreckt auch nicht davor zurück, irgendwelche Behauptungen aufzustellen, schamlos zu lügen und Vorschläge zu machen, von denen sie genau weiss, dass sie abwegig und nicht umsetzbar sind. Von dieser Seite ist nichts Gutes zu erwarten.

48. Die Kritik der PdAS an der EU, am gestorbenen Rahmenabkommen und an den bilateralen Verträgen ist nicht nur unabhängig von der Kritik der SVP, sondern steht ihr diametral entgegen.

Das Zerbröckeln des bilateralen Weges und die damit verbundenen realen Schwierigkeiten

49. Die Kritik unserer Partei an den bestehenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU – neoliberale Abkommen, die hauptsächlich im Interesse der Exportindustrie und der Finanzwirtschaft liegen und die ArbeiterInnen sowie die werktätigen Bevölkerungsklassen benachteiligen – war richtig, ebenso wie die Forderung nach Neuverhandlungen, und wir nehmen nichts davon zurück.

50. Diese Kritik ist jedoch insofern etwas veraltet, als dass der bilaterale Weg heute zum allmählichen Untergang verurteilt ist, da die EU sich weigert, die auslaufenden bilateralen Abkommen ohne «institutionelle Lösung» zu erneuern, und auch nicht bereit ist, die bisherige Praxis des Abschlusses sektorieller Abkommen fortzusetzen (die aus Sicht der Eurokraten nur eine Vorstufe zur EU-Integration war, die letztendlich in den Beitritt führen sollte). Wenn es dem Bundesrat nicht gelingt, eine Ersatzlösung vorzuschlagen, welche die EU akzeptiert, droht ein «No Deal». Die Schweiz würde dann aus Sicht der EU zu einem «Drittland» und als solches behandelt werden.

51. Unsere berechtigte Kritik an den bestehenden bilateralen Abkommen und unsere Forderung, sie neu zu verhandeln, ändern nichts an der Tatsache, dass ihr ersatzloses Verschwinden weitaus grössere negative Auswirkungen hätte als die Abkommen selber. Denn Tatsache ist, dass die Schweizer Wirtschaft heute viel enger mit der EU verflochten ist, als es die britische Wirtschaft war – schliesslich war das Vereinigte Königreich ein Empire und hat selbst als EU-Mitglied immer darauf geachtet, einen gewissen Abstand zu bewahren. Auch wenn die Öffnung zum gemeinsamen Markt vor allem der Exportindustrie und dem Finanzsektor zugutekommt, handelt es sich doch um wichtige Sektoren der Schweizer Wirtschaft mit einer sehr grossen Zahl betroffener Arbeitsplätze.

52. Zwar würde ein «No Deal» nicht zu einem Ende der Handelsbeziehungen führen und es Schweizer Unternehmen auch nicht unmöglich machen, weiterhin im EU-Binnenmarkt tätig zu sein. Schwierigkeiten beim Export, Standortverlagerungen, die Verlegung von Unternehmen und zahlreiche Entlassungen liessen sich aber kaum vermeiden. Die rechten UnternehmerInnen im Bündnis mit der SVP würden dies ausnutzen, um im Namen der Verteidigung des «nationalen Interesses» und der Wettbewerbsvorteile der Schweiz einen brutalen Austeritätsplan durchzusetzen, der schlimmer wäre als bei einem EU-Beitritt: Das Ende der flankierenden Massnahmen, Angriffe auf die GAVs, Lohnsenkungen, zusätzliche Steuersenkungen für Unternehmen, Deregulierung und Sozialabbau. Es würde zu einer inakzeptablen Schocktherapie führen.

53. Aus diesem Grund tritt unsere Partei für die Neuverhandlung der bilateralen Abkommen ein, nicht für deren einfache Aufhebung. Die Schweiz ist von der EU umschlossen und bilaterale Abkommen sind unerlässlich. Sie müssen jedoch auf einer anderen Grundlage basieren.

Die Vorschläge der PdAS

54. Angesichts dieser Sackgasse müssen wir Lösungen vorschlagen. Darunter auch solche Lösungen, die im derzeitigen System sofort umsetzbar wären und die der amtierende Bundesrat theoretisch der EU, so wie sie ist, vorschlagen könnte (auch wenn es nicht wirklich unsere Aufgabe ist, den Bundesrat, dessen Politik wir bekämpfen, zu beraten). Am einfachsten wäre es sicherlich, der EU beizutreten oder eine «institutionelle Lösung» zu akzeptieren, wie sie der EU vorschwebt. Dann wäre das Problem gelöst. Aus den bereits genannten Gründen lehnen wir diese beiden Perspektiven jedoch kategorisch ab.

55. Zwischen der weiteren Integration in den EU-Binnenmarkt, die eine Unterwerfung der Schweiz durch die EU bedeutet, die potenziell bis hin zum Beitritt führt, sowie einer neoliberalen Schocktherapie, durch welche die Folgen des Alleingangs unter den Bedingungen der Schweizer Bourgeoisie bewältigt würden, gibt es eine andere Lösung, deren Umsetzung zwar alles andere als einfach ist, die aber die einzige ist, welche die Interessen der werktätigen Klassen wirklich befriedigen kann und im Sinne des sozialen Fortschritts, der Nachhaltigkeit und der Demokratie ist. Es ist dies der Weg, den wir befürworten und der sich wie folgt zusammenfassen lässt: Rückverlagerung der Produktion und Zusammenarbeit statt Globalisierung und Konkurrenz. Es ist nicht einfach, die EU dazu zu bringen, einen solchen Paradigmenwechsel zu akzeptieren, aber wir glauben, dass es möglich ist. Denn auch die EU ist nicht an einem «No Deal» mit der Schweiz interessiert. Auch die EU ist in mancher Hinsicht von der Schweiz abhängig, z. B. beim Güterverkehr über die Alpen und bei der Nutzung der in der Schweiz durch Staudämme erzeugten elektrischen Energie zur Bewältigung von Spitzenzeiten des Energiekonsums in der EU.

56. Der erste Schritt auf diesem Weg besteht darin, der EU gegenüber eine klare Vorbedingung zu stellen: Es wird keine «institutionelle Lösung» geben, wie sie den Eurokraten vorschwebt, keine «dynamische» Übernahme von EU-Recht und natürlich auch keinen Beitritt zur EU oder zum EWR. Dies würde von Anfang an Klarheit schaffen und dadurch das Verhandlungsklima verbessern, im Gegensatz zur derzeitigen Position des Bundesrates, der nicht klar macht, was er will, und seine Position durch Verzögerungstaktik schwächt. Es ist auch zu hoffen, dass eine solche Klarstellung es für die EU weniger attraktiv macht, auf Vergeltungsmassnahmen zurückzugreifen, deren Ziel es ist, die Schweiz zu zwingen, eine «institutionelle Lösung» anzunehmen, wenn eine solche Lösung von vorneherein ausgeschlossen ist. Eine solche Vorbedingung hat auch zur Folge, dass es unmöglich ist, die bilateralen Abkommen in ihrer jetzigen Form zu erneuern und auch sie neu zu verhandeln, weil man dem Zugang zum EU-Binnenmarkt nachtrauert, als ob die Schweiz ein Teil davon wäre. Ein solcher Zugang liegt vor allem im Interesse der Grossunternehmen; im Gegensatz dazu werden die ArbeiterInnen, die nicht-kommerziellen Sektoren und die BäuerInnen den Verwüstungen der freien und uneingeschränkten Konkurrenz ausgesetzt, also allen Übeln des freien Marktes, denen ein Ende gesetzt werden muss.

57. Gibt es irgendwelche Lehren, die wir aus dem Brexit ziehen können? Es ist kaum möglich, irgendein «britisches Modell» direkt auf die Schweiz zu übertragen. Die Situation ist in der Tat sehr unterschiedlich. Das Vereinigte Königreich trat aus der EU aus, nachdem es sein Recht auf die EU ausgerichtet hatte. Das Austrittsabkommen sieht vor, dass dieses EU-Recht als britisches Recht beibehalten wird. Der Fall liegt diametral entgegengesetzt zum Fall der Schweiz, deren bilaterale Abkommen mit der EU gerade darauf abzielen, die Anpassung an das EU-Recht zu regeln. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich (EU-UK-Abkommen) sieht keinen uneingeschränkten Zugang zum EU-Binnenmarkt vor – im Gegensatz zu dem, was die bilateralen Abkommen der Schweiz zumindest für viele Marktsegmente erlauben –, sondern verbietet lediglich Zollabgaben. Und wir können uns nicht dieselben Ziele setzen wie die Regierung von Boris Johnson, deren äusserst reaktionäres Ziel es war, Grossbritannien zu einem Steuerparadies zu machen und seine Wettbewerbsvorteile durch eine weitere Runde der Deregulierung zu verstärken.

58. Dennoch lässt sich etwas aus dem Vergleich mit dem Brexit lernen. Ursprünglich wollte die EU mit dem Vereinigten Königreich etwas aushandeln, das dem untergegangenen Rahmenabkommen ähnelt. Die britische Verhandlungsführung lehnte diese Option kategorisch ab. Stattdessen einigten sich beide Seiten auf das EU-UK-Abkommen, dessen wichtigstes Merkmal darin besteht, dass es sich ausdrücklich auf das Völkerrecht und nicht auf EU-Recht stützt – das erste Mal, dass die EU so etwas akzeptiert hat. Das EU-UK-Abkommen wird durch eine bilaterale Leitungsstruktur kontrolliert, in die der Europäische Gerichtshof nicht eingreift, jedenfalls nicht als Richter und Partei. Dies ist ein Novum: Die EU hat sich bereit erklärt, mit einem ihrer Nachbarländer ein gleichberechtigtes, «normales» Abkommen abzuschliessen. Damit hat sie ihre frühere «Europapolitik» aufgegeben, bei der sie Abkommen mit den Nachbarländern auf der Basis des EU-Rechts schloss, die auf Unterwerfung abzielten und der Angleichung und letztlich der Übernahme durch die EU dienen sollten. Das EU-UK-Abkommen muss als Präzedenzfall verstanden werden, auf welches man aufbauen kann: Ja zu Kooperationsabkommen, aber unter der Voraussetzung, dass die Souveränität beider Seiten gewahrt und jegliche Unterwerfung verhindert wird.

59. Unserer Ansicht nach müssen bei der Neuverhandlung der Abkommen andere rote Linien gelten als die, welche die EU durchsetzen wollte: Die Rechte und Interessen von ArbeiterInnen, soziale und ökologische Standards und öffentliche Dienstleistungen müssen Vorrang vor der Marktlogik haben; keine Liberalisierung, keine Öffnung für den Wettbewerb. Solche roten Linien bedeuten, dass die neuen bilateralen Abkommen zwangsläufig sektorieller sein werden, mit einer eingeschränkteren Anwendung als die derzeitigen Abkommen. In den Bereichen, in denen die Marktöffnung bestehen bleibt – ein Verzicht darauf ist kaum vorstellbar –, muss eine Beziehung der Gegenseitigkeit sein, die Rechtssicherheit und eine gewisse juristische Homogenität auf beiden Seiten der Grenze garantiert. Es müssen aber auch ausreichend starke Begleitmassnahmen vorgesehen werden, um negative Konsequenzen zu verhindern. Ausserdem müssen paritätische und transparente Instanzen – ohne Einschaltung des EuGH – für die Beilegung von Streitpunkten und für die Leitung dieser bilateralen Institution vorgesehen werden. Alle Guillotine-Klauseln – Abschreckungsmittel, die der «atomaren Option» ähneln und die für einen konstruktiven Dialog nicht nützlich sind – müssen durch Klauseln für regelmässige Überprüfungen ersetzt werden. Wo immer möglich, sollten Kooperationsabkommen gegenüber Marktabkommen bevorzugt werden. Insbesondere sollte es auf jeden Fall möglich sein, zumindest im Grundsatz, die Forschungszusammenarbeit und die Teilnahme der Schweiz an Erasmus+ aufrechtzuerhalten, ohne sie mit dem Marktzugang zu verknüpfen.

60. Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass unsere Vorschläge der bisherigen Politik des Bundes zuwiderlaufen und für den Bundesrat politisch nur schwer akzeptabel sind. Würde er sie übernehmen wollen, hätte er grösste Schwierigkeiten, sie der EU schmackhaft zu machen, da sie einen grundlegenden Bruch mit der Logik bedeuten würden, auf der die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sowie die Gründungsverträge der EU beruhen. Unsere Vorschläge erfordern auch die Umsetzung tiefgreifender Veränderungen in der Schweiz selbst – Veränderungen, die nur durch den Klassenkampf durchgesetzt werden können und nicht von den bürgerlichen Parteien; sie würden im gegenwärtigen System kaum Sinn machen. Aber zum einen hat die bisherige Politik in die Sackgasse geführt, in der wir uns heute befinden, und zum anderen ist es keineswegs das Ziel unserer Partei, «pragmatische» Vorschläge zu machen, deren Zweck es wäre, auf dem bisherigen Weg weiterzumachen.

Der Weg in die Zukunft: Ausbruch aus der Logik des freien Marktes

61. Abgesehen von der einseitigen Übernahme des neoliberalen EU-Rechts muss das Ziel selber, in dessen Namen seine BefürworterInnen diese Übernahme rechtfertigen, abgelehnt werden: die Integration in einen grossen liberalisierten Markt, eben in den EU-Binnenmarkt. Ein solcher Markt ist vor allem für grosse Unternehmen vorteilhaft, die sich dort durchsetzen und immer höhere Gewinne einfahren können. Wir wissen, dass derzeit viele Arbeitsplätze davon abhängen. Aber in der gegenwärtigen Phase der kapitalistischen Entwicklung ist der globalisierte Markt vor allem eine zerstörerische Kraft, die notwendigerweise auf einer allgemeinen und erbarmungslosen Konkurrenz beruht. In dieser Konkurrenz triumphieren die Monopole durch die verschärfte Ausbeutung der ArbeiterInnen, durch Sozialabbau, durch den Ruin kleiner Unternehmen, kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, durch die Vernichtung des Service public, durch die Zerstörung gemeinnütziger Sektoren und letztlich durch die beschleunigte Zerstörung der natürlichen Ressourcen und der Umwelt. Die neoliberale Attacke hat die Schleusen für die zerstörerischen Kräfte des freien Marktes weit geöffnet, mit den bekannten katastrophalen Folgen. Diesem Treiben ein Ende zu setzen, ist heute eine historische Notwendigkeit und eine absolute Dringlichkeit.

62. Aus diesem Grund lehnen wir auch die Freihandelsabkommen ab – sie sind Investitionsschutz-abkommen zugunsten multinationaler Konzerne, welchen unverhältnismässige Vorteile eingeräumt werden und welchen die Möglichkeit eingeräumt wird, die Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn ihre Profite durch dem Gemeinwohl dienende Massnahmengefährdet werden; sie haben verheerende Auswirkungen auf die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Bäuerinnen und Bauern sowie kleine Unternehmen, die der Konkurrenz der multinationalen Konzerne nicht standhalten können, sowie auf die öffentlichen Dienstleistungen und die Umwelt. Wir lehnen diese Abkommen ebenso ab wie die Integration in den gemeinsamen Markt zu den Bedingungen der EU.

Eine kohärente Perspektive: der solidarische Protektionismus

63. Als Alternative zum Freihandel, zu jeglichem Freihandel, schlagen wir eine zukunftsweisende Lösung vor: den solidarischen Protektionismus. Wir schlagen vor, den Vorrang bestehender Normen umzukehren, mit der Logik zu brechen, die den bilateralen Abkommen, den Freihandelsabkommen und den WTO-Abkommen zugrunde liegt, und stattdessen den Respekt vor demokratischen Entscheidungen über die «Freiheit» des Marktes und der multinationalen Konzerne zu stellen, soziale und ökologische Standards über den Freihandel, lokale Unternehmen gegenüber der internationalen Konkurrenz zu bevorzugen. Das bedeutet auch, dem Lohndumping ein Ende zu setzen. Wir sind nicht gegen die Freizügigkeit – die im Übrigen nicht auf EU-BürgerInnen beschränkt werden darf – und setzen uns für die Legalisierung aller Sans-Papiers und eine echte Asylpolitik ein, die eine Politik der Aufnahme und nicht des Stacheldrahts an den Grenzen ist. Eine Ausweitung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine stärkere Regulierung des Arbeitsmarktes sind jedoch unerlässlich, um Dumping zu verhindern.

64. Im Gegensatz zum herkömmlichen Protektionismus zielt der solidarische Protektionismus, wie wir ihn verstehen, nicht darauf ab, besondere Vorteile im internationalen Wettbewerb zu erlangen oder vorrangig die Rentabilität der nationalen Privatunternehmen und die besonderen Interessen der nationalen Bourgeoisie zu schützen, sondern er soll eine Entkoppelung der Globalisierung vom Dschungel des liberalisierten Weltmarktes und des europäischen Marktes ermöglichen, zugunsten einer sozialen und ökologischen Wirtschaft, die den Bedürfnissen der Bevölkerung und der Erhaltung der Umwelt dient. Er soll auch den Grad der Abhängigkeit der Schweiz von der EU verringern, so dass der Druck der EU weniger spürbar und bilaterale Abkommen weniger lebenswichtig sind und der Handlungsspielraum für eine unabhängige Politik grösser werden kann: Unabhängigkeit in der Energieversorgung (durch die Entwicklung einheimischer erneuerbarer Energien und Energiesparen), Investitionen in die Ausbildung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen anstelle des Imports von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dank der Freizügigkeit (insbesondere im Gesundheitsbereich), Stärkung einer endogenen Forschung und Entwicklung von Kooperationen mit anderen Universitäten und Bildungs- und Forschungseinrichtungen als mit denjenigen der EU,….

65. Der solidarische Protektionismus ist ein Mittel für eine unerlässliche Umstrukturierung der Schweizer Wirtschaft: Rückführung produktiver Tätigkeiten, Ernährungssouveränität, Kreislaufwirtschaft statt linearer Wirtschaft, Ausbau der öffentlichen Dienstleistungen, Entwicklung erneuerbarer Energien und Energieeinsparungen, Stärkung sozial und wirtschaftlich nützlicher Tätigkeiten statt Finanzwesen und Rohstoffhandel… All diese Veränderungen können nicht vom Markt ausgehen und müssen durch eine verstärkte Intervention der öffentlichen Körperschaften durchgesetzt werden. Sie setzen eine demokratische Planung der Wirtschaft voraus.

Bedeutung der nationalen Ebene für den politischen Kampf

66. Die europäistische Linke glaubt, dass Nationalstaaten überholt sind, dass die Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und Souveränität eine Form des Nationalismus wenn nicht gar des Abgleitens in die extreme Rechte wäre, und dass ihr Aufgehen in einem kontinentalen Überbau, der zu einem Bundesstaat werden soll, oder sogar ihre Zerschlagung durch Aufteilung in Euro-Regionen eine Form des Internationalismus wäre. Wir lehnen diese Sichtweise ab – die in einem versöhnlichen «Internationalismus» besteht, der realitätsfremd, wenn nicht sogar heuchlerisch ist – und sind der Ansicht, dass Nationalstaaten und Nationen ihre historische Rolle noch lange nicht vollendet haben, dass Internationalismus in internationaler Solidarität zwischen Völkern, aber auch zwischen Nationen, besteht und dass er nicht im Widerspruch steht zur Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität, insbesondere gegen die Übergriffe von Imperien (zu denen auch die EU gehört). Natürlich muss ein wirklich linkes Engagement für nationale Unabhängigkeit internationalistisch sein und auf einem offenen und zivilgesellschaftlichen Konzept der Nation beruhen – im Gegensatz zur ethno-nationalistischen Sichtweise, wie sie die extreme Rechten pflegt. Dies schliesst jede Anlehnung an der eigenen Bourgeoisie bei der Verteidigung des eigenen Landes gegen die legitimen Rechte und Interessen anderer Völker aus. Im Gegensatz dazu nehmen postnationale «Internationalisten» oft eine zutiefst eurozentrische Weltsicht an, die bis zur Unterstützung imperialistischer Kriege der westlichen Länder gehen kann, welche mit pseudo-humanistischen und heuchlerischen Begründungen angezettelt werden.

67. Unser Ansatz ist nicht nationalistisch, und wir mystifizieren keineswegs die Nation oder den Nationalstaat (die in der Realität nicht immer miteinander übereinstimmen). Die Nationen, die wir kennen, sind keine homogenen und ewigen Gebilde, sondern historische Phänomene, die im historischen Massstab relativ jung oder sogar sehr jung sind und deren Existenz bei einigen von ihnen dem Zufall zu verdanken ist. Als historische Phänomene sind sie auch nicht dazu bestimmt, ewig zu existieren. Das ist alles andere als ungewöhnlich. Die meisten Völker, die wir aus den Geschichtsbüchern kennen, existieren nicht mehr als solche. Ihre biologischen Nachkommen erkennen sich heute in anderen Völkern wieder. Das Volk der Sumerer war bereits in der klassischen Antike vergessen. Auch die Staaten, aus denen die EU heute besteht, sind nicht dazu bestimmt, ewig zu bestehen. Viele von ihnen sind erst vor kurzem entstanden und manchmal durch historische Zufälle entstanden. Ihre Entstehung als vereinigte Nationalstaaten wurde oft künstlich und unter Zwang erzwungen. Der Zusammenbruch des ehemaligen Jugoslawiens in einem grausamen Bürgerkrieg (wobei heute klar ist, dass die Aufteilung des Balkans in Staaten mit stabilen Grenzen noch keineswegs abgeschlossen ist), die regionalistischen und separatistischen Bewegungen in Katalonien, Flandern, Schottland, die ungelöste irische Frage usw. sind Beweise für die Zerbrechlichkeit der bestehenden Nationalstaaten und ihre fehlende Dauerhaftigkeit. Dies ist auch ein Grund, sie nicht zu mystifizieren – wie es die nationalistische Rechte tut – und sie nicht als natürlichen Ort der Demokratie und Solidarität zu betrachten, da ihre tatsächliche Geschichte allzu oft das Gegenteil beweist.

68. Dennoch ist es so, dass die Nationalstaaten nicht in naher Zukunft verschwinden werden. Daher ist es sinnvoll, sich ihrer Aufnahme in ein neues ordoliberales Heiliges Reich oder ihrer Zerschlagung durch Aufteilung in Euro-Regionen, die untereinander konkurrieren, zu widersetzen. Nicht aus Nationalismus und auch nicht im Glauben an einen Fetisch des Nationalstaats, sondern weil es die derzeit eine unerlässliche Ebene des Kampfes ist.

69. Linke Europäisten, welche behaupten, dass der nationale Rahmen zum Teil überholt sei und man nicht mehr aus der EU aussteigen könne, befürworten eine «Europäisierung» des Kampfes. Aber obwohl diese Position radikal und internationalistisch klingt, ist sie antimarxistisch; und sie hat Ähnlichkeiten mit der trotzkistischen Idee einer Weltrevolution: Hinter der Maske eines äusserlichen Radikalismus, steht die Weigerung, sich in der Praxis dort für einen revolutionären Bruch einzusetzen, wo er möglich wäre. Diese Haltung ignoriert das Gesetz der ungleichen Entwicklung im Kapitalismus und die Tatsache, dass die Ketten des Imperialismus nicht immer nur an ihrem schwächsten Glied brechen. Die EU, ein imperiales Konstrukt, reproduziert im Grunde die Struktur der alten feudalen Imperien: Sie zwingt ungleiche Völker in unterschiedlichen Situationen unter dasselbe Joch, aber sie bildet weder eine Einheit noch eine Nation. Sie ist ein günstiges Gelände für den Kampf der Grossbourgeoisie gegen die Arbeiterschaft, nicht aber für die Völker, die im Gegensatz dazu auf der Ebene des Nationalstaats besser Voraussetzungen vorfinden, zumindest, wo es eine nationale Gemeinschaft und ein Minimum an einheitlicher Organisation der Volksklassen gibt. Auf einen Bruch auf EU-Ebene zu setzen, bedeutet gleichzeitig, darauf zu verzichten, diesen Bruch am einzigen Ort herbeizuführen, an dem er tatsächlich möglich ist, nämlich auf der Ebene eines bestimmten Mitgliedstaates (oder mehrerer Mitgliedstaaten). Die Erfahrung von SYRIZA zeigt leider, dass der Wille zur Veränderung ohne gleichzeitigen Bruch mit der EU in die Sackgasse führt und zum Scheitern verurteilt ist. Und zu glauben, dass ein solcher Bruch gleichzeitig auf der Ebene aller oder auch nur der Mehrheit der Mitgliedstaaten stattfinden könnte, ist unrealistisch. Im Gegenteil, es ist der Bruch mit dem Euro und der EU und dann mit dem Kapitalismus auf der Ebene eines Mitgliedstaates, der allein zu einer glaubwürdigen Europäisierung der Kämpfe führen kann: zu einem Zusammenschluss der Kämpfe für die Zerstörung der ordoliberalen «europäischen Konstruktion», die möglicherweise den Weg zu einem «anderen Europa» ebnen kann, sobald es die EU nicht mehr gibt.

70. Unter den Nationalstaaten des europäischen Kontinents ist die Schweiz eine recht alte Formation, auch wenn ihre heutigen Grenzen erst aus dem 19. Jahrhundert stammen und ihre tatsächliche staatliche Einheit und ihre nationale Gründungsideologie erst nach der bürgerlichen Revolution von 1848 ihre heutige Form erhielten. Das macht die Schweiz zu einem stabilen und kohärenten Gebilde, in dem die nationale Frage eine befriedigende Lösung gefunden hat. Insgesamt frei von zentrifugalen Tendenzen, bildet die Schweiz daher eine Nation, die auf Dauer angelegt ist, und nichts deutet darauf hin, dass sie sich in einer heute absehbaren Zukunft in einem grösseren Gebilde auflösen oder einen Teil ihrer Souveränität abtreten wird.

71. Natürlich ist die offizielle Schweiz kaum weniger neoliberal als die EU. Die Schweizer Demokratie ist auch bei weitem nicht so perfekt wie das Bild, das sie öffentlich von sich selbst zu zeichnen versucht, und die halbdirekte Demokratie verhindert nicht, dass die Bourgeoisie die tatsächliche Macht in unserem Land ausübt. Dennoch ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass eine halbdirekte Demokratie verwirklicht werden konnte – und nicht nur eine illusorische Fassade des Regimes darstellt – und dass die Schweiz ein Land ist, das leicht demokratischer ist als die überwältigende Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten, ganz zu schweigen von der EU selbst. Das macht die Schweiz zu einer unverzichtbaren Ebene des Kampfes, der in einem unabhängigen Land viel besser zu führen ist, als wenn die Schweiz in die EU integriert wäre – dies trotz der Tatsache, dass die Kräfteverhältnisse für die fortschrittlichen Kräfte nicht günstig sind. Aber es liegt an uns, das zu ändern, und das rechtfertigt es, ihre Unabhängigkeit und nationale Souveränität im Namen der Demokratie zu verteidigen, also keineswegs aus einer nationalistischen Perspektive.

Eine echte internationale Zusammenarbeit erfordert einen Bruch mit dem neoliberalen Supranationalismus.

72. Wir verteidigen zwar eine Form der nationalen Souveränität, im Sinne einer demokratischen und antiimperialistischen Forderung, die auch heute noch ihre Bedeutung und ihre Legitimität hat, aber wir verabsolutieren sie nicht. Unser Ansatz ist entschieden internationalistisch, keinesfalls nationalistisch, und wir lehnen supranationale Konstruktionen nicht grundsätzlich ab. Es trifft zu, dass viele der für die Zukunft der Menschheit entscheidenden Herausforderungen nicht innerhalb der Grenzen jedes einzelnen Staates gelöst werden können und dass daher eine Zusammenarbeit auf breiterer Ebene erforderlich ist. Daher sind wir nicht grundsätzlich und in jedem Fall gegen die Idee einer europäischen Integration als solche. Allerdings müsste diese Integration tatsächlich fortschrittlich, demokratisch und im Interesse der Völker sein.

73. Das Problem, so wie es die EuropäistInnen formulieren, ist jedoch falsch aufgegleist. Die eigentliche politische Herausforderung besteht nämlich nicht darin, auf abstrakter Ebene für oder gegen «Europa» zu sein, oder zu beurteilen, ob die europäische Integration an sich eine gute Sache sein könnte – was eine idealistische und realitätsferne Art der Fragestellung ist -, sondern zu entscheiden, wie man sich gegenüber der EU, so wie sie ist, dem einzigen «europäischen Konstrukt», das es gibt, positionieren soll.

74. Die EU in ihrer jetzigen Form – ein technokratischer und ordoliberaler Überbau – ist das Gegenteil einer Logik der Zusammenarbeit zwischen den Völkern. Die Idee, dass ein grosser liberalisierter Markt, dass die allgemeine Konkurrenz der Völker zum alleinigen Vorteil der Monopole, eine Form des Internationalismus sein könnte, konnte nur den Gehirnen der Bourgeoisie entspringen, und einer «Linken» in völliger ideologischer Verwirrung. Die EU ist neoliberale und antidemokratisch, und ihr Charakter ist nicht durch Reformen grundlegend veränderbar. Ein echtes demokratisches, soziales und ökologisches Europa der Völker – was zweifellos eine wünschenswerte und unterstützenswerte Vorstellung ist, auch wenn deren Verwirklichung in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist –, wird nur auf den Ruinen des Europas der Eurokraten entstehen können.

Keine dauerhafte Lösung ohne Ausstieg aus dem Kapitalismus

  • 75. Auch wenn kurzfristige, allenfalls auch nur begrenzte und provisorische Lösungen innerhalb des gegenwärtigen Rahmens unerlässlich sind und verdienen, dass man für sie kämpft, wenn auch radikalere und tiefgreifendere Veränderungen und substantielle Brüche mit der Logik des freien Marktes innerhalb des gegenwärtigen Systems durchaus möglich sind; dürfen wir dennoch keine Illusionen aufkommen lassen: Keine Lösung wird ausreichend, real und nachhaltig sein, wenn sie nicht die Ursachen beseitigt, die zu den gegenwärtigen Sackgassen geführt haben, wenn sie nicht aus dem kapitalistischen System ausbricht und zu einer neuen, sozialistischen Gesellschaft übergeht, die allein den Kapitalismus ersetzen kann. Daher müssen wir unsere Vorschläge für die Zukunft der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU in die politische Perspektive unserer Partei einbetten. Nicht nur, weil dies unsere Perspektive ist, sondern weil die Geschichte selbst ihre Verwirklichung verlangt und weil die Schwere der Krise, in die der Kapitalismus die Menschheit stürzt und die uns zu einer baldigen Auslöschung führen kann, wenn nichts unternommen wird, um dies zu verhindern, weil diese Krise es nicht erlaubt, ihre Lösung auf eine mehr oder weniger ferne Zukunft zu verschieben.

76. Der Bruch mit dem freien Markt und die Einschränkung der Marktlogik hat in unseren Augen nicht das Ziel, ihn durch einen sozialen und ökologischen Kapitalismus zu ersetzen, der gar nicht möglich ist und dessen Mängel durch eine Kombination aus staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft und sozialen Massnahmen korrigiert werden sollen. Eine solche Gesellschaft könnte allenfalls als Übergangsphase dienen. Sie darf aber nur als Schritt zur Begrenzung der Rolle des Marktes überhaupt in unserer Gesellschaft, zum Bruch mit dem Kapitalismus und zur Einleitung des Übergangs zu einer neuen sozialistischen Gesellschaft verstanden werden, die an die Stelle des bestehenden Systems tritt.

77. Heute haben wir die Wahl: Entweder den autoritären, neoliberalen EU-Kapitalismus der Eurokraten oder den autoritären, neoliberalen nationalen Kapitalismus der nationalistischen Rechten. Beide Optionen führen zu allgemeinem Rückschritt und in naher Zukunft zu einer ökologischen Katastrophe. Oder aber, als dritte Option, den Kampf für eine sozialistische, demokratische und nachhaltige Zukunft. Es ist diese dritte Option, für die wir kämpfen. Sie ist auch ein Beitrag zu den Kämpfen der Völker in der EU, die sich gegen dieses heilige ordoliberale Imperium wehren, mit denen wir solidarisch sind und mit denen wir gemeinsam kämpfen wollen. Nur so wird es möglich sein, eines Tages ein echtes Europa der Völker aufzubauen, das auf Zusammenarbeit und Solidarität beruht und an die Stelle des Europas des freien und unverfälschten Wettbewerbs tritt.

Die Resolution wurde an der Sitzung des Zentralkomitees der Partei der Arbeit der Schweiz vom 26. Februar 2022 in Bern verabschiedet.

[1]Anm.: Die Begriffe «Europäist» und «Europäismus» können in zwei Bedeutungen verstanden werden: im weiteren Sinne als Befürworter einer politischen Einigung des europäischen Kontinents; und im engeren Sinne als Befürworter der EU in ihrer jetzigen Form. Die beiden Bedeutungen werden oft verwechselt, sollten es aber nicht: Die EU ist nämlich nicht Europa, auch wenn sie oft behauptet, es zu sein. Im weiteren Verlauf dieses Textes werden wir diese Begriffe nur in einem engen Sinn verwenden, der die gebräuchlichste Bedeutung ist.

[2]Wir verwenden «europäische Integration» in seiner üblichen Bedeutung als Integration der EU und nicht für irgendeine Integration des europäischen Kontinents.