Das Gesundheitspersonal schlägt Alarm – einmal mehr
Vier Jahre nach dem klaren Ja zur Pflegeinitiative ist die Realität ernüchternd: Die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen bleiben prekär, die Finanzierung ungenügend. Das Personal kämpft für sichere Versorgung und würdige Arbeit. Am 22. November gibt es eine grosse Demonstration auf dem Bundesplatz, denn es ist 5 nach 12.
Es war ein starkes Signal, als im November 2021 ganze 61 Prozent der Stimmbevölkerung die Pflegeinitiative annahmen. Die Botschaft war eindeutig: bessere Arbeitsbedingungen, genügend Personal, sichere Versorgung. Vier Jahre später ist davon wenig umgesetzt. Während der Bundesrat und das Parlament die zweite Etappe des Gesetzes beraten, wächst die Wut im Gesundheitswesen. Das Bündnis Gesundheitspersonal ruft darum für den 22. November zur nationalen Kundgebung in Bern auf. Die PdA Schweiz unterstützt den Aufruf.
Zerfall der Versorgung
Die Realität ist dramatisch: Stationen werden geschlossen, Betten abgebaut, Wartezeiten verlängern sich. Menschen warten Monate auf eine psychiatrische Behandlung oder einen Hausarzttermin, Geburtenabteilungen verschwinden aus ländlichen Regionen. Wer alt oder krank ist, spürt die Folgen hautnah. Das ist nicht einfach eine Verwaltungspanne – es ist das Ergebnis einer jahrelangen Politik, die das Gesundheitswesen wie ein Unternehmen führt. Spitäler sollen Gewinne schreiben, Pflegeheime «effizient» wirtschaften. Das Resultat: steigender Druck auf das Personal, sinkende Versorgungsqualität für die Bevölkerung.
Der Vorschlag des Bundesrats für ein neues Pflegegesetz (BGAP) zeigt exemplarisch, wie der politische Wille verdünnt wird. Kein Wort zu sicheren Stellenschlüsseln, keine klare Regelung zur Finanzierung, dafür vage Versprechen. Die Folge: Arbeitsbedingungen bleiben prekär, Überlastung und Berufsausstiege nehmen zu. Die Logik ist absurd: Ohne ausreichende Finanzierung und verbindliche Vorgaben bleibt jede Reform leeres Gerede.
Profit statt Pflege
In den Spitälern und Pflegeheimen zeigt sich längst ein Teufelskreis. Je mehr Pflegende aussteigen, desto höher die Belastung für die Verbleibenden. Assistenzärzt:innen schuften am Limit, Burnouts häufen sich. Viele verlassen die Branche endgültig – und verschärfen damit die Krise. Wer bleibt, muss unter Bedingungen arbeiten, die der Gesundheit schaden. Dabei sollte doch das Wohl der Patient:innen im Zentrum stehen, nicht der Renditebericht eines Spitalträgers.
Die Bevölkerung wird älter, der Bedarf an Pflege steigt, doch die Ressourcen schrumpfen. Diese Schere bedroht die Versorgungssicherheit im ganzen Land. Die Politik verweist gerne auf «Effizienzsteigerungen». Doch was bedeutet das konkret? Weniger Zeit am Bett, mehr administrative Arbeit, höhere Fallzahlen pro Pflegefachperson. Effizienz wird so zum Synonym für Kürzungen, auf Kosten der Menschen.Das Gesundheitspersonal fordert endlich echte Lösungen: verbindliche Stellenschlüssel, ausreichende Finanzierung und Arbeitsbedingungen, die diesen Namen verdienen. Es braucht mehr Zeit für Patient:innen, mehr Erholung, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine Mitsprache, die den Fachkräften Gewicht gibt. Kurz: Es braucht Respekt für jene, die das Rückgrat der Gesundheitsversorgung bilden.
Demonstration am 22. November
Die Wahrheit ist unbequem: Solange Gesundheit als Markt betrieben wird, bleiben die Probleme ungelöst. Ein Spital ist kein Unternehmen, eine Pflegeabteilung keine Fabrikhalle. Wer das Gesundheitswesen der Profitlogik unterwirft, nimmt den Kollaps billigend in Kauf. Darum fordert das Bündnis Gesundheitspersonal eine radikale Umkehr: Schluss mit der Unterfinanzierung, Schluss mit dem Spardiktat, Schluss mit dem Ausverkauf der Versorgung.
Am 22. November, um 14.15 Uhr, gibt es auf dem Bundesplatz in Bern eine grosse Demonstration des Gesundheitspersonals. Pflegende, Ärzt:innen, Therapeut:innen und viele weitere Fachkräfte gehen gemeinsam auf die Strasse. Sie sagen laut, was längst klar ist: Der Applaus von 2020 ist verhallt, warme Worte genügen nicht mehr. Es ist 5 nach 12. Entweder die Politik setzt den Volkswillen endlich um, oder sie trägt die Verantwortung für den Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems.