Zum Verbot der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS)

kps2Vor 75 Jahren, am 26. November 1940, wurde die Kommunistische Partei der Schweiz verboten. Eine Mischung aus wütendem Antikommunismus und Anpassung an die Achsenmächte führte zum Entscheid. Der ehemalige Präsident der KPS, Jules Humbert-Droz, wertete die Verbote linker Organisationen durch den Bundesrat als «Zugeständnisse an die Achsenmächte». Die Schweizer Regierung orientierte zu jener Zeit auf eine «Anpassungspolitik» an den Faschismus, schrieb Humbert-Droz in einem Brief an die Parteileitung von 1943.

Ende November 1940 war es für den Bundesrat endlich soweit: Das mit allerhand Sondervollmachten ausgestattete Gremium holte zum letzten Schlag gegen die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) aus. Lange schon war es dazu gedrängt worden. Die Kantonsregierungen etwa wurden ungeduldig. So führte es Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz nur wenige Tage vor dem Beschluss in einer Sitzung der Regierung aus. Nun müsse «endlich auch die kommunistische Partei auf dem ganzen Gebiete der Schweiz verboten werden». Am 26. November fasste der Bundesrat den entsprechenden Beschluss.

Zu dem Zeitpunkt war die Partei bereits in mehreren Kantonen verboten. Den Anfang hatte 1937 Neuenburg gemacht. Hier hatte der frühere Bundesrat Jean-Marie Musy auf eine gezielte Provokation gesetzt. Am 25. Januar hielt er in der Stadt La Chaux-de-Fonds einen Vortrag unter dem Titel «Warum muss der Kommunismus verboten werden?». Organisiert wurde der Vortrag von den Jeunesses nationales. Eine anschliessende Demonstration der Rechten liessen sich die ArbeiterInnen nicht gefallen. Ein Krawall brach aus, die Polizei feuerte Tränengas in die Menge. In der Folge starb der Vorsitzende der Jeunesses nationales an einem Herzinfakt. Sofort beschuldigten rechte Kreise die KommunistInnen des Mordes. Am 23. Februar wurde die KPS im Kanton verboten. Weitere Kantone folgten.

Für die Landesverteidigung

Die Tradition des Antikommunismus lässt sich in der Schweiz noch weiter zurückverfolgen. Im November 1918 war es im Alpenland zur bislang einzigen revolutionären Situation der Neuzeit gekommen, Hunderttausende ArbeiterInnen waren in den Generalstreik getreten. Nur zehn Tage nach dessen Ende hatten 12 000 Personen unter bürgerlicher Führung für strenge Massregelungen gegen Streikende und «Bolschewisten» protestiert.

«Schon 1929 stiessen reaktionäre Kreise vor mit dem Verlangen, die Kommunistische Partei sei zu verbieten», schrieb etwa der frühere Sekretär der KPS, Marino Bodenmann. Wegen ihrer Zugehörigkeit zur Kommunistischen Internationale wurde der Partei vorgehalten, dem Ausland zu dienen. Diverse antikommunistische Organisationen entstanden, etwa die «Action nationale suisse contre le communisme», die vom ehemaligen Bundesrat Musy ins Leben gerufen wurde.

Grundlage des Hasses war die widerspenstige Haltung der Kommunistischen Partei. In vielen Fragen war sie die einzige Opposition im Lande. So etwa, als dem Bundesrat Mitte der 30er Jahre ein Millionenkredit zur Aufrüstung gewährt werden sollte. Die KPS lehnte die Verteidigung der Schweiz gegen den Faschismus nicht grundsätzlich ab. In einer Broschüre zum 1. Mai 1936 heisst es: «Wir unterscheiden zwischen Faschismus und Demokratie. Wir stützen die bürgerliche Demokratie gegen jeden faschistischen Angriff.»

Doch «dieser Regierung, die die militärischen Rüstungen nicht unzweideutig gegen die faschistischen Bedroher richtet», bewilligte sie die Kredite nicht. Solange die Armee auch gegen das eigene Volk eingesetzt wurde wie in Genf 1932, würde die KPS «alle Massnahmen der Militarisierung und alle Militärkredite ablehnen». Auch als 1939 über Sondervollmachten für den Bundesrat abgestimmt wurde, verweigerte sich die KPS als einzige Partei.

Profaschistischer Bundesrat

Der ehemalige Präsident der KPS, Jules Humbert-Droz, wertete die Verbote linker Organisationen durch den Bundesrat als «Zugeständnisse an die Achsenmächte». Die Schweizer Regierung orientierte zu jener Zeit auf eine «Anpassungspolitik» an den Faschismus, schrieb Humbert-Droz in einem Brief an die Parteileitung von 1943.

Im Bundesrat befanden sich einige, die dem Faschismus wohlwollend gegenüber standen. Schon 1923 hatte Giuseppe Motta verlauten lassen: «Der Faschismus hat den sozialen Frieden in Italien wiederhergestellt; diese Tatsache wird in der Schweiz mit Sympathie aufgenommen.» Und Bundesrat Philipp Etter hielt es nicht für ausgeschlossen, dass der Faschismus «zu einer bessern Gestaltung des Staates führen kann». Gegen die diversen Naziorganisationen in der Schweiz ging der Bundesrat zunächst nur zögerlich, wenn überhaupt, vor.

Die Haltung eines Teils des Bürgertums verdeutlicht auch die «Eingabe der 200» vom 15. November 1940. Der von etwa 200 Personen unterzeichnete Aufruf richtete sich an den Bundesrat und verlangte, «mit allen Nachbarn gute Beziehungen zu pflegen». Zu jener Zeit waren das: Hitlerdeutschland, das faschistische Italien und das besetzte Frankreich. Zu diesem Zweck müsse die Presse eingeschränkt und «jede fremde politische Stelle auf unserm Boden» entfernt werden.

Die KommunistInnen traf das Verbot hart. Bereits am 27. November, als das KPS-Verbot in Kraft trat, wurden Hausdurchsuchungen und Festnahmen im grossem Rahmen durchgeführt. Dutzende der Parteimitglieder wurden in deren Rahmen festgenommen und teils ohne Gerichtsurteil zu mehreren Monaten Gefängnis verdammt. Darunter auch Humbert-Droz.

Dennoch hielt die KPS stand. Deren Sekretär Bodenmann erinnerte sich 1961 anlässlich des 40. Jahrestags der Parteigründung: «Der Bundesrat konnte wohl die Partei und ihre Presse verbieten, nicht aber die Idee und das Wirken für sie.» Tatsächlich gewann die Partei in der Illegalität grösseren Einfluss unter den ArbeiterInnen. Sie warb etwa für die Einführung einer gesetzlichen Altersversorgung. Im Verbund mit der ebenfalls verbotenen westschweizer Fédération socialiste suisse (FSS) trat sie gar zu verschiedenen Gemeindewahlen an. So in Genf, wo 1943 eine «Liste der Arbeit»« 26 der 64 Sitze im Einwohnerrat erhielt – wobei die Verbote geschickt umgangen wurden. Nach Kriegsende, 1946, musste auch der Bundesrat in einem Bericht über das Parteiverbot eingestehen: «Zu Beginn des Jahres 1944 wurden wieder die üblichen illegalen kommunistischen Zeitschriften fast im ganzen Gebiet der Schweiz vertrieben.»

 

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Wahlplakat der KPS im Jahr 1929
Wahlplakat der KPS im Jahr 1929

Für die Einheit der ArbeiterInnenklasse

Ab 1936 bis nach der Gründung der Partei der Arbeit haben die schweizerischen KommunistInnen der Sozialdemokratie die Fusion angeboten. Sie ist trotz Sympathien der Linken in der SPS stets gescheitert.

Die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) war von Beginn an ein treues Mitglied der Dritten Internationale, der Komintern. Überhaupt war der Grund zur Gründung der KPS die Weigerung der Sozialdemokratischen Partei (SPS), der neuen Internationale unter der Führung der jungen Sowjetunion beizutreten. Bis 1935 folgte die KPS auch der verhängnisvollen Sozialfaschismustheorie. Josef Stalin fasste sie folgendermassen zusammen: «Die Sozialdemokratie ist objektiv der gemässigte Flügel des Faschismus. (…) Diese Organisationen schliessen einander nicht aus, sondern ergänzen einander. Das sind keine Antipoden, sondern Zwillingsbrüder.»

Erst der 7. Weltkongress der Komintern von 1935 vollzog dann unter dem Eindruck der Ereignisse in Deutschland die überfällige Wendung. Am 6. Parteitag von 1936 änderte auch die Kommunistische Partei der Schweiz ihre Politik grundlegend: «Gegen die wachsende Kriegsgefahr, gegen Faschismus und Elend muss sich die schweizerische Arbeiterklasse, die heute noch gespalten ist, wieder einigen. Sie muss als Kern eine feste Einheitsfront und darüber hinaus eine mächtige Volksfront schaffen.»

Von diesem Zeitpunkt an erstrebte die KPS die Bildung einer einheitlichen Partei der Arbeiterklasse. Die Einheitsfront sollte dabei die Vorstufe der Einheitspartei sein. Das Zentralkomitee «ist bereit, sofort mit der Leitung der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz Verhandlungen aufzunehmen über die Fusion beider Parteien zu einer Einheitspartei der Arbeiterklasse auf der Grundlage des Programms der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz», schreibt 1939 der damalige Präsident der KPS Jules Humbert-Droz.

Und noch 1944 erklärt die neugegründete Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS), dass sie «für die Schaffung einer einheitlichen Arbeiterpartei eintritt, welche alle Anhänger des Sozialismus in ihren Reihen vereinigt». Die Verhandlungen mit der Sozialdemokratie sind immer gescheitert.

SP verabschiedet sich vom Sozialismus

Humbert-Droz gab nach seinem Ausschluss 1943 aus der KPS die Schuld am Misslingen der Fusion mit der SPS der Parteileitung der KommunistInnen. Man hätte auf Bedingungen zum Ãœbertritt verzichten sollen: «Man will, dass die SP vor dem Eintritt der Kommunisten eine konsequente Klassenpolitik führt, (…) wobei doch klar ist, dass dies nur das Resultat der Einheit sein kann.» Allerdings schrieb er noch 1939, es solle keine Fusion «auf dem Boden einer Burgfriedenspolitik mit der reaktionären Grossbourgeoisie und ihren Parteien» sein. Er selbst trat sofort der SPS bei und war später ein heftiger Gegner der PdAS.

Einzelne Sektionen und Mitglieder der SPS standen den KommunistInnen positiv gegenüber. Der Basler Regierungsrat Carl Miville forderte: «Wir müssen uns für die Wiederherstellung der kommunistischen Organisationen einsetzen, um mit ihnen den Kampf für die Interessen der Werktätigen zu führen.» Die SP-Parteileitung hatte zu allem eine gegensätzliche Meinung. Einerseits sprach sie sich gegen eine Aufhebung des KPS-Verbots aus: «Wenn der Bundesrat das Verbot der Kommunistischen Partei aufheben will, so ist das seine Sache. Er hat dieses Verbot erlassen, er soll frei darüber entscheiden, was weiterhin zu geschehen hat.» Andererseits hatte es für sie «keinen Sinn, Elemente, in unsere Partei aufzunehmen, von denen man zum Voraus weiss, dass sie die Partei nur dazu benützen wollen, ihre bisherige Desperadopolitik weitertreiben zu können».

Für den Winterthurer Kommunisten Max Meier waren nach der Auflösung der Komintern alle Hindernisse beseitigt für die Ãœberwindung der Spaltung. Aber nur schon eine «Aktionseinheit ist vom rechten Flügel der SP, der mit dem Bürgertum zusammenarbeitet, stets abgelehnt worden». «Das Verbot einer Arbeiterpartei ist der untrüglichste Gradmesser, dass sie (…) aufrichtig und ehrlich am Kampfe für den Sozialismus festhält», schreibt Meier. Die SPS habe mit ihrer Burgfriedenspolitik auf die Verwirklichung des Sozialismus verzichtet. Dafür habe ihr das Bürgertum einen Bundesratssitz überlassen.

 

Beide Artikel sind im vorwärts vom 4.Dezember 2015 veröffentlicht.