Für die Gleichberechtigung und die Würde der Frauen

«Mann und Frau sind gleichberechtigt», hält Artikel 8 der Bundesverfassung fest. Diese rechtliche Gleichstellung gilt selbstverständlich für sämtliche Lebensbereiche. Weiter hält der Artikel fest: «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.» In der Verfassung ist die Gleichberechtigung seit 1981 verankert. 1996 trat das Gleichstellungsgesetz in Kraft, das die Beseitigung der Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben vorsieht, wie zum Beispiel von niedrigeren Löhnen für gleiche Arbeit oder ungleicher Anstellungschancen.

Milliarden sparen auf dem Buckel der Frauen
Es ist also verboten, für die gleiche Arbeit Frauen geringer zu entlöhnen als Männer. Doch in der Praxis wird dieses Verbot missachtet. Mehr als zwei Jahrzehnte sind seit der Einführung des Gleichstellungsgesetzes verstrichen und die Frauen verdienen immer noch 20 Prozent weniger als Männer in einer vergleichbaren Position. Eine kleine Rechnung zeigt, um welche Beträge die Frauen betrogen werden: Verdient der Mann 4500 Franken pro Monat, so erhält die Frau bei gleichwertiger Arbeit nur 3600 Franken. Somit bekommt die Frau im Schnitt pro Jahr 10 000 Franken weniger als der Mann; über das gesamte Berufsleben gerechnet, ergibt dies eine Summe von 350 000 Franken – Geld, das die Unternehmen auf dem Buckel der Frauen sparen.

Viele Hürden sind abzuschaffen
Die Lohnungleichheit ist aber bei weitem nicht die einzige Diskriminierung, welche die Frauen in unserer kapitalistischen Gesellschaft ertragen müssen: niedrigere Renten, Hürden bei der Stellensuche, die gläserne Decke auf der Karriereleiter, die Armut von alleinerziehenden Frauen; in Branchen mit Tieflöhnen und miesen Arbeitsbedingungen sind mehrheitlich Frauen beschäftigt und so weiter und so fort … Die Liste ist lang.

Es ist ein auffälliges Merkmal von Klassengesellschaften, dass den Frauen primär die Rolle in der «familiären Sphäre» zugewiesen wird und bloss ein zweitrangiger Platz in der «Produktionssphäre», sprich in der Wirtschaft.

Aus der Sicht der Arbeitgebenden besteht die Besonderheit der Frauen in der reduzierten Verfügbarkeit aufgrund ihrer potenziellen Mutterschaft. Unabhängig von ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten werden sie von Vornherein als «weniger verfügbar» betrachtet. Aufgrund dieser Unterscheidung entstehen Strukturen der Ausbeutung, wie bei der Lohnungleichheit besonders gut zu sehen ist, aber auch die Ideologie, welche diese Ausbeutung legitimiert. So sind im Patriarchat das Verständnis des Ehepaares und die Rolle der Frau klar in Stein gemeisselt und die Lohnarbeit der Frau ist nur ein Zusatzverdienst zum Einkommen des «Familienoberhauptes», also des Mannes. Beim Patriarchat handelt es sich um ein gesellschaftliches Erbe, das ganz im Sinne der kapitalistischen Marktwirtschaft und somit auch der ArbeitgeberInnen ist.

Die Vorstellung von Frauenarbeit als «Nebenverdienst» hat weiter beträchtliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt: 44,6 Prozent der Frauen arbeiten hierzulande Teilzeit, gegenüber 11,2 Prozent der Männer. Nach der OECD liegt die Schweiz somit hinter Holland an zweiter Stelle der Länder, geordnet nach unterschiedlicher Arbeitszeit zwischen Mann und Frau. Die Teilzeitbeschäftigung der Frauen ist oft auch mit finanzieller Unsicherheit der Betroffenen verbunden.

Gewalt gegen Frauen bekämpfen
In der Schweiz wie auch im Rest der Welt erleiden Frauen Gewalt aller Art: verbale Gewalt, Mobbing, sexuellen Missbrauch und auch Mord. Oft geschehen diese Gewalttaten im Unsichtbaren, beuten den Körper der Frau aus. Der Frauenkörper wird auch als Ware und Werbeträger gedemütigt. Die sexuelle Gewalt ist der exemplarische Ausdruck der patriarchalischen Aneignung des Frauenkörpers und bringt die Frauen in gefährliche Situationen, überall. Gleiches gilt für die diversen Missachtungen der erworbenen Frauenrechte. Sparmassnahmen und Budgetkürzungen, insbesondere im Gesundheits- und Sozialwesen, benachteiligen in erster Linie die Frauen. Die soziale Phobie gegenüber sexuellen Orientierungen und Identitäten ist eine weitere Art der Macho-Gewalt.

 Längerfristige Perspektive erarbeiten
Sollen sich Frauen angesichts all dieser Tatsachen damit zufriedengeben, die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern zu fordern? Oder Anreizsysteme für die Vollzeitbeschäftigung von Frauen? Oder die ArbeitgeberInnen dazu anregen und ermutigen, vermehrt Frauen für verantwortungsvolle Positionen anzustellen? Nein, das alles reicht nicht, denn gleich ausgebeutet zu werden wie die Männer, ist nicht das Ziel.

Sicher, kurzfristig ist dafür zu kämpfen, dass die Gründe der Extraausbeutung der Frauen aus der Welt geschaffen werden. Daher beteiligen wir uns aktiv an Kämpfen für die Durchsetzung der Lohngleichheit wie etwa am Frauenstreik 2019. Jedoch ist auch die langfristige Perspektive im Auge zu behalten. Die komplette Emanzipation der Arbeiterinnen und Arbeiter kann nur durch die Abschaffung des kapitalistischen Produktionssystems erreicht werden. Nur wenn ArbeiterInnen die demokratische Kontrolle über die Produktionsmittel erlangen, sind sie keine «Arbeitskräfte» mehr, die ausgebeutet werden.

Wir wissen: Von den heutigen politischen Institutionen sind keine Veränderungen zu erwarten. In den eidgenössischen sowie den kantonalen und kommunalen Parlamenten sitzen hauptsächlich Männer aus der Wirtschaft. Sie haben kein Interesse daran, in der Frage der Gleichberechtigung wichtige gesellschaftspolitische Zeichen zu setzen. Notwendig ist daher, dass die Frauen Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten und eine kritische Politik gegenüber jeder Form des Patriarchats entwickeln. Der Frauenstreik 2019 ist ein Vorbild dafür.

Es braucht einen radikalen Wechsel
Ohne den entschlossenen und konsequenten Kampf gegen Sexismus und ideologische Stereotypen können soziale und gesellschaftliche Veränderungen nicht stattfinden. Es ist ein Kampf, der alle Menschen betrifft, denn für den Aufbau einer solidarischen Gesellschaft, in der alle gleichberechtigt sind, braucht es alle, Frauen und Männer gemeinsam.

Wir fordern konkret:

  • Die Durchsetzung der Lohngleichheit von Frau und Mann
  • Die gesetzliche Verpflichtung für die Unternehmen, Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern abzuschaffen
  • Bezahlten Elternurlaub von mindestens 18 Monaten, gleich aufgeteilt in Mutter- und Vaterschaftsurlaub, sowie das Verbot von Kündigung bei Wiederaufnahme der Stelle
  • Die Garantie für einen qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Zugang zu Kinderkrippen, Kindergärten und ausserschulischer Betreuung bis zum 13. Lebensjahr
  • Keine Erhöhung des Frauenrentenalters
  • Die Umsetzung der internationalen Istanbul-Konvention, welche die Gewalt gegen Frauen als eine Menschenrechtsverletzung definiert und anerkennt
  • Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt
  • Das Recht jedes Menschen auf Selbstbestimmung über seinen Körper, das insbesondere den Zugang zur Verhütung sowie den Abbruch einer Schwangerschaft garantiert
  • Eine Sexualerziehung ab der Primarschule, die sich insbesondere mit Geschlechtern, Stereotypen und Diskriminierung befasst
  • Die Abschaffung der Mehrwertsteuer (MWST) für Produkte der Damenhygiene, die heute wie Produkte besteuert werden, die nicht als Güter des Grundbedarfs gelten
  • Die Durchführung von Präventionskampagnen gegen jegliche Form von Gewalt gegen Frauen
  • Die Erarbeitung eines Bildungsprogramms auf allen Schulstufen, das die unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten respektiert
  • Eine Garantie der finanziellen Mittel und Ressourcen für spezifische Angebote für Frauen

Und wir werden nicht ruhen …
bis sämtliche Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern ein Relikt kapitalistischer Vergangenheit sein werden.