Zum Artikel in der NZZ

Es ist allgemein bekannt, dass die Wahrheit eines der ersten Opfer eines Krieges ist. Auch die Berufsethik einiger Journalist:innen scheint manchmal ein Kollateralopfer zu sein. In einem Artikel vom 2. Mai zog es die NZZ vor, die Position der PdAS auf eine Verteidigung von Wladimir Putin und der russischen Invasion zu reduzieren, anstatt sie präzise wiederzugeben. Unser Co-Präsident Alexander Enilin hatte fünf Fragen des Journalisten Olivier Camenzind schriftlich beantwortet. Doch Camenzind nahm sich offensichtlich nicht die Zeit, die Antworten zu lesen oder den Inhalt in seinem Artikel wiederzugeben. Vielmehr disqualifizierte er unsere Analyse und warf uns mit der extremen Rechten in einen Topf. Damit keine Unklarheiten über die Haltung der PdAS zum Krieg in der Ukraine aufkommen, geben wir hier die Antworten im vollen Wortlaut wieder.

Sie lehnen militärische Unterstützung der Ukraine sowohl von der Schweiz als auch durch die Nato dezidiert ab. Das entnehme ich den Communiqués auf Ihrer Website. Was meinen Sie genau, wenn Sie «Dialog» und «Diplomatie» zur Beendigung des Krieges fordern?

Kriege enden in der Regel nicht mit der Vernichtung einer der beiden Kriegsparteien – was ein tragischer Ausgang wäre -, sondern am Verhandlungstisch. Russland hat offensichtlich nicht die Kapazitäten, die gesamte Ukraine zu erobern oder die ukrainische Regierung zu stürzen. Es wird auch nicht über die Ressourcen verfügen, um auf unbestimmte Zeit einen Krieg zu führen, in dem sich seine Armee festfährt. Eine diplomatische Lösung wird früher oder später erforderlich sein, und zwar am besten so früh wie möglich. Wir setzen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten für die Wiederherstellung des Friedens ein. Das Ziel der NATO-Mächte hingegen ist nicht der Frieden, sondern die Niederlage Russlands – wie Joe Biden ausdrücklich sagte – selbst auf die Gefahr hin, dass der Krieg so lange wie nötig dauert, egal wie hoch die menschlichen und materiellen Schäden sein mögen.

Die Ukraine befindet sich in einem Krieg. Wie, wenn nicht mit kriegerischen Mitteln, soll sie sich gegen das angreifende Russland wehren?

Die Ukraine kann kaum etwas anderes tun, als sich mit Waffengewalt zu verteidigen, und das ist ein Recht, das wir ausdrücklich anerkennen. Wir müssen jedoch in einer globaleren Perspektive denken. Und in diesem Sinne ist unser grundlegendes Engagement für Frieden und Abrüstung. Das Wiedererstarken des Militarismus und des Wettrüstens ist eine grosse Bedrohung für alle Völker der Welt. Die Ukraine ist heute der Schauplatz einer zwischengeschalteten Konfrontation zwischen zwei imperialistischen Blöcken, die im schlimmsten Fall in einem Weltkrieg zu gipfeln droht. Wir müssen dafür kämpfen, diese Konfrontation zu beenden, und nicht, uns unter dem Banner eines dieser Blöcke zu scharen.

Den Krieg angezettelt hat nachweislich das russische Regime. Dennoch betonen Sie in den genannten Communiqués die Mitschuld des Westens, insbesondere der EU und der Nato. Woher kommt die Ablehnung gegenüber der Nato?

Zunächst müssen einige unbestreitbare Tatsachen in Erinnerung gerufen werden: Die NATO ist ein imperialistisches Bündnis, das vor den Warschauer Verträge mit dem Ziel gegründet wurde, Angriffskriege zu führen. Bei der Auflösung der Warschauer Verträge hätte sich die NATO auflösen müssen. Doch stattdessen sie hat sich nach Osten ausgedehnt, mit der klaren Strategie, Russland einzukreisen. Also weit davon entfernt, eine Lösung für kollektive Sicherheit zu finden, die Russland einschliesst, das in der jüngsten Vergangenheit darum gebeten hatte. Doch stattdessen werden nukleare Raketenbatterien auf russisches Territorium gerichtet.

Die NATO-Mächte unterstützten aktiv den Maidan-Putsch von 2014, die Verfolgung der linken Opposition, die schikanösen Massnahmen gegen russischsprachige Menschen und die ungestraft begangenen Übergriffe rechtsextremer Gruppen. Die NATO ist ein Militärbündnis unter Führung der USA, der grössten imperialistischen Macht der Welt, die seit Jahrzehnten Angriffskriege führt und der grösste Unterdrücker der Völker auf dem Planeten ist. Joe Biden, wir erinnern uns, unterstützte den Krieg im Irak. Und er war Vizepräsident von Barack Obama, als dieser Libyen in ein Trümmerfeld verwandelte, das den Kriegsherren überlassen wurde. Er hat somit mehr Blut an seinen Händen als Wladimir Putin. Nichts davon rechtfertigt die russische Invasion. Andererseits ändert die russische Invasion aber auch nichts am imperialistischen Charakter der NATO.

Anders gefragt: Warum legen Sie solchen Wert darauf, Russland zu verteidigen?

Wir verteidigen in keiner Weise Russland, dessen Invasion wir unmissverständlich verurteilt haben. Wir möchten lediglich einen klaren Blick auf die Ereignisse in ihrer ganzen Komplexität behalten, ohne uns von der Welle der kollektiven Emotionen mitreissen zu lassen. Wir lehnen es auch ab, die in der NATO zusammengeschlossenen imperialistischen Mächte in irgendeiner Weise zu unterstützen oder uns blindlings einer ukrainischen Regierung anzuschliessen, die nationalistisch ist und die linke und sogar die Mitte-Links-Opposition im eigenen Land verfolgt – was absolut nichts mit einer Unterstützung Russlands zu tun hat.

Das Argument, dass der Westen (namentlich durch die Osterweiterung der Nato) den russischen Einfall in der Ukraine provoziert oder zumindest mitzuverantworten habe, ist nicht nur bei Ihnen zu lesen, sondern auch in dezidiert rechten Kreisen. Können Sie die paradoxe Situation kommentieren, dass sich dezidiert Rechte und dezidiert Linke auf einmal einig zu sein scheinen?

Wir entwickeln unsere Positionen auf der Grundlage dessen, was wir für richtig halten, und nicht auf der Grundlage dessen, was unsere Gegner denken. Wenn Rechte sagen, dass 2+2=4, sollten wir dann behaupten, dass 2+2=5, nur um ihnen zu widersprechen? In der Praxis kommt es tatsächlich vor, dass einige unserer Positionen aus oberflächlicher Sicht mit einigen rechten Positionen übereinstimmen. Dies geschieht jedoch nicht aus denselben Gründen, und die betreffenden Positionen haben in unserem Ansatz und in ihrem Ansatz nicht dieselbe Bedeutung. Ein Teil der extremen Rechten unterstützt Russland tatsächlich aus Faszination für das nationalistische und reaktionäre Regime von Wladimir Putin. Eine solche Faszination gibt es bei uns nicht – dieses Regime ist das Gegenteil unserer Werte – und unser Ansatz ist entschieden antiimperialistisch und internationalistisch.